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Obgleich nun diese Expeditiou ihren Hauptzweck, in die nördlich von
Spitzbergen gelegenen unbekannten Gegenden weiter vorzudringen, nicht hat
erfüllen können, so hat sie doch den eigentlichen G-rund gelegt zu der Kenntnifs
der Topographie Spitzbergens und der physisch-oceanischen Verhältnisse an
seinen Küsten. So wurden u. A. 60 Punkte astronomisch bestimmt, eine vor
läufige Triangulation der nördlichsten Inselreihe von Ross’s Islet (80° 49' N-Br)
bis zu den Banats-Inseln (79° 20' N-Br), zu Zwecken einer astronomischen
Gradmessung innerhalb der arktischen Zone und möglichst nahe dem Pole. 1 )
Die physikalischen Beobachtungen, betreffend die Erscheinungen des Erd
magnetismus, der Temperatur der Luft und des Meeres und der Meeresströmungen,
ebenso wie die Lothungen und die Untersuchungen über das Leben in den
Meore3tiefen bis zu 2500m haben wichtige Thatsachcn ergeben, die weiter unten
bei der Zusammenfassung der physisch-oceanischen Ergebnisse der fünf schwedi
schen Polar-Expeditionen Erwähnung finden werden.
Hier wollen wir nur noch auf die reichen botanischen, zoologischen und
geologischen Sammlungen hinweisen, welche von Seiten der Theilnehmer mit
Unterstützung der schwedischen Akademie der Wissenschaften bearbeitet
worden sind. 2 )
Die dritte schwedische Polar-Expedition wurde im Sommer 1864 unter
Nordenskiöld’s Leitung auf dem Schilfe „Axel Thordsen“ unter Begleitung
von Dunér und Malmgren ausgeführt und hatte zum Hauptzweck, die im
Jahre 1861 begonnene Vorbereitung zu einer Gradmessung auf Spitzbergen zu
vollenden, und zwar von dem Südende der Hinlopen-Strafse längs des Stor-Fjordes
bis zum Südkap. Diese wurde auch ausgeführt und dabei die schon von allen
holländischen Seefahrern aufgefundene und mappirte Thatsache, dafs der Stor-
Fjord durch eine schmale Meeresetrafse, den Melis-Sund, mit dem offenen Meere
und der Hinlopm-Str&tse in Verbindung steht, also kein blofser Küsteneinschnitt
ist, wie sein Name vermuthen läfst.
Ein abermaliger Versuch, in dem nördlich von Spitzbergen befindlichen
Meere soweit wie möglich gegen Norden vorzudringen, scheiterte abermals; bei
der Fahrt längs der Westküste gegen Norden traf der „Axel Thordsen“ eine
Menge von Booten mit schiffbrüchiger Mannschaft, welche er aufnehmen und
verpflegen mufste. Die Expedition kehrte deshalb nach Norwegen zurück, mit
reichem kartographischen und naturhistorischen Material, aber mit wenig Aus
beute für oceanographische Forschungen. 3 )
Die vierte schwedische Expedition im Jahre 1868 war in dieser Be
ziehung dafür von weit gröfserem Erfolge. Sie war zu Staude gebracht durch be
güterte Einwohner der reichen Handelsstadt Gothenburg und durch die schwedische
Akademie der Wissenschaften mit Instrumenten und anderen wissenschaftlichen
Hülfsmitteln reichlich ausgestattet; der König von Schweden hatte der Expedition
einen schwedischen Postdampfer, die „Sofia“, unter dem Kommando des Kapitäns
Freiherrn Fr. W. von Otter (des jetzigen schwedischen Marine-Ministers) zur
Verfügung gestellt. Die wissenschaftliche Leitung der Expedition war dem
Professor A. E. v. Nordenskiöld übertragen. Seine Begleiter waren u. A.
Lieutenant Palander, der später ruhmgekrönte Kommandant der „Vega“ bei
ihrer Umsegelung Asiens von West nach Ost und dem Eröffnen der nordöst
lichen Durchfahrt, ferner der Physikers. Lemström, die Zoologen Malmgren
und Holmgren, die Botaniker Fries und Berggren.
Die „Sofia“ segelte am 20. Juli 1868 von Tromsö aus zunächst nach der
Bären-Inscl, wo sie zu deren Durchforschung fünf Tage verweilte; am 27. Juli
setzte sie Kurs nach dem Südkap Spitzbergens, um wo möglich ostwärts nach
den Tausend-Inseln vorzudringen, wurde aber durch mächtige Treibeismassen
*) Eine zweite Reihe von Rekognoscirungen für eine solche Gradmessung ist von Dr. C. Börgen
und Dr. C. Copeland i. J. 1869 von April 30 bis Juli 22 während der zweiten deutschen Nord-
polar-Eahrt an der Ostküste von Grönland ansgeführt worden (s. „Die zweite Nordpolar-Fahrt etc.“,
Bd. II, pag. 763—893).
*) S. „Svenska Expeditionen til Spitzbergen är 1861 utförd ander ledning af Otto Toreil“.
Stockholm 1865—1&66. Vgl. auch Petermann’s „Mittheilungen“ 1861, pag. 156, 201. 351, 399;
1863, pag. 24, 47, 212, 401; 1864, pag. 14, 127, 208.
®) Vgl. Petermann’s „Miltheilungen“, 1868, pag. 300; Ergänzungsheft No. 16 (1865),
pag. 26—34, nebst Tafel 2, enthaltend die Originalkarte von Spitzbergen nach den schwedischen
Aufnahmen von 1861 und 1864, auf die wir fiir die späteren Angaben im Texte hinweisen.
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