247
Dafs die Oberflächentemperatur sinkt, wenn man die Grenze von 3,50 %/o
Salz überschreitet oder ihr sich nähert, zeigen die Beobachtungen No. 115—120
und No. 207-—209,
Im eigentlichen Polarstrom wurde der Salzgehalt der Oberfläche in
einigem Abstande von der Grenze gewöhnlich sehr niedrig gefunden, nur an
einer Stelle tritt in Bezug hierauf eine Ausnahme von der allgemeinen Regel
ein, insofern sich, ungefähr unter dem 75. Breitegrad, eine schmale Zunge mit
Wasser von höherem Salzgehalt in den Polarstrom hineinstreckt, ohne jedoch
eine wesentliche Erhöhung der Oberflächentemperatur veranlassen zu können.
Als eine Eigenthümlichkeit, welche Erwähnung verdient, ist dabei anzuführen,
dafs Professor Dr. G. O0. Sars, welcher auf den verschiedenen Fahrten der
Expedition regelmäfsig das Thierleben der Oberfläche der Untersuchung unter-
warf, gerade an diesem Puukte, tief im Innern des Polarstromes, die für das
warme Wasser des Atlantischen Oceans eigenthümlichen Thierformen wieder-
fand, während dieselben sonst nirgends in dem ostgrönländischen Kaltwasser-
strome beobachtet wurden.“
2, Salzgehalt in gröfseren Tiefen und am Boden.
An den Küsten und in den Fjorden zeigt sich deutlich die Wirkung des
nahen Landes; die gröfseren Tiefen des offenen Meeres weisen einige eigen-
thümliche Verhältnisse auf. Auf einem gröfseren Gebiete in den Meerestheilen
zwischen Island und Norwegen bis zum arktischen Polarkreise und von da
nordöstlich in einem breiteren Streifen zwischen Norwegen und Nowaja Semlja
und einem schmaleren zwischen Norwegen und Spitzbergen (westlich von der
Bären-Insel) ist der Salzgehalt über 3,5 %o, am gröfsten ist er im Nordosten
von der Färö—Shetland-Rinne (s. No. 000). In der Umgebung der Bären-Insel
sowie im Westen von Spitzbergen und weiter südlich liegt ein Gebiet mit
geringerem Salzgehalt. In dieses Gebiet schiebt sich zwischen Jan Mayen und
Norwegen insel- oder zungenförmig eine Partie mit salzhaltigerem Wasser von
über 3,5 % hinein.
„Die unregelmäfsige Vertheilung des Salzgehaltes der gröfseren Tiefen
muls“ — wie Herr Tornöe Sitzgsber. etc. pag. 962 bemerkt — „unzweifelhaft
als eine sehr auffallende Erscheinung bezeichnet werden. Dafs die Salzmenge
auf den Bänken und in dem südlichen Theile des Ostmeeres fast ganz genau
mit derjenigen übereinstimmt, welche man in den wärmeren, auf der Oberfläche
fließenden atlantischen Wässern findet, kann nichts Ueberraschendes haben,
Das Meer ist an diesen Stellen sehr flach, und das in demselben strömende
Wasser besitzt überall eine Temperatur von über 0° und mufs darum auch
am natürlichsten dem nordwärts fliefsenden atlantischen Strome zugeschrieben
werden, mit dem es auch selbstverständlich den höheren Salzgehalt theilt. In
Bezug auf die gröfseren Tiefen würde man indessen a priori ein anderes Resultat
erwarten. Die Temperatur liegt hier ohne Ausnahme unter 0°, an den meisten
Stellen sogar unter —1°, und es würde darum am nächsten liegen, dem Wasser
dieser Regionen polaren Ursprung zuzuschreiben. Es ergiebt sich indessen mit
Gewifsheit aus allen mir bekannten Untersuchungen über den Salzgehalt der
verschiedenen Meere, dafs die von arktischen Gegenden ausgehenden Strömungen
ohne Ausnahme Wasser von geringerem Salzgehalte führen, als die von milderen
Gegenden ausgehenden Warmwasserströme, und man würde danach die Erwartung
hegen dürfen, in den tieferen und kälteren Schichten des hier untersuchten
Meeres eine Wassermasse vorzufinden, welche weniger gesalzen wäre, als die
augenscheinlich südlichen Gegenden entstammenden Gewässer der Oberfläche
und der zunächst unter derselben liegenden Schichten. Der wirkliche That-
bestand ist demungeachtet der gerade entgegengesetzte, insofern das in den
tiefer liegenden Schichten sich bewegende Wasser über weite Strecken hin
einen Salzgehalt nachweist, der ziemlich genau dem entspricht, welchen man in
dem atlantischen Oberflächenstrom beobachtet.
Aus diesem Grunde sowohl, wie auch aus noch anderen Gründen, die
weiter unten angeführt werden sollen, sehe ich mich zu der Annahme getrieben,
dafs das Wasser der gröfseren Tiefen in den Regionen, welche auf der Karte
als salzreichere angegeben sind, entweder ausschliefslich sich aus wärmeren
Gegenden herschreibt oder wenigstens, und unter allen Umständen, mit derartigem