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Die Vertikalkraftwaage.
Von Kapt.-Lieut. Nees von Esenbeck,
Von den drei Theilen, in welche die vollständige Kompensirung eines
Kompasses zerfällt: Der Kompensirung der semicirkularen, quadrantalen und
Krängungsdeviation wird der zuletzt genannte am seltensten ausgeführt, und
zwar nicht allein deswegen, weil die durch Krängung hervorgebrachte Deviation
seltener, als die semicirkulare und quadrantale eine die Navigirung erschwerende
Gröfe hat, sondern auch, weil die Beseitigung des Krängungsfehlers die Kennt-
nifs der mittleren Horizontal- und Vertikalkraft erfordert, deren Bestimmung
oft unbequem und zeitraubend ist. Die mittlere Horizontalkraft wird man nun
zwar in den meisten Fällen auf Grund von früheren Beobachtungen oder von
Erfahrungen auf anderen Schiffen kennen oder schätzen können; die Bestimmung
der mittleren Vertikalkraft jedoch wird öfter vorgenommen werden müssen,
weil diese Kraft nicht wie die mittlere Horizontalkraft proportional der ent-
sprechenden Komponente der erdmagnetischen Kraft ist, sondern dazu in einem
gewöhnlich nicht genau bekannten Verhältnifs steht.
Es ist nun von dem Professor W. Thomson in Glasgow ein von ihm
„ Verticalforce-instrument“ benanntes Instrument konstruirt worden, welches die
Vertikalkraft zum Zweck der unmittelbaren Kompensirung des Krängungsfehlers
schneller und bequemer messen soll, als es durch die Schwingungen einer
Vertikalnadel möglich ist. In Folgendem soll eine Beschreibung des Instruments,
eine Anweisung zum Gebrauch und zur Aufstellung der Tafel und eine Ent-
wickelung der zugehörigen Theorie gegeben werden, woraus hervorgehen wird,
welche Bedeutung dieser Konstruktion für die magnetischen Beobachtungen an
Bord beizumessen ist,
Es bedeutet im Folgenden:
z die Vertikalkraft am Lande,
z‘ die Vertikalkraft an Bord,
H die Horizontalkraft am Lande,
H‘ die Horizontalkraft an Bord,
4 das Verhältnils der mittleren Horizontalkraft an Bord zur Horizontalkraft
an Land,
% das Verhältnifs der mittleren Vertikalkraft an Bord zur Vertikalkraft an Land,
© die Inklination,
& den bekannten Koäfficienten der quadrantalen Deviation.
Beschreibung des Instruments, Der Grundgedanke desselben ist,
dafs eine frei schwingende Inklinationsnadel durch Annäherung oder Entfernung
eines Magneten horizontal gestellt wird; je nachdem die Vertikalkraft am
Beobachtungsort stärker oder schwächer ist, muß der Magnet genähert oder
entfernt werden. Das Instrument kann daher als eine magnetische Waage
bezeichnet werden.
Dieser Gedanke ist in folgender Weise ausgeführt. Zwei durch einen
feinen Rahmen verbundene Stricknadelmagnete bilden zusammen die Inklinations-
nadel, und hängen in Glas- oder Sapphirhütchen auf zwei Stiften von Iridium.
Zwischen den Nadeln befindet sich in einer Messinghülse der verstellbare
Magnet. Die durch den Deckel hindurchgehende senkrechte Messinghülse hat
von aulsen ein Gewinde, welches in einer am Deckel festen Mutter läuft. An
den Wänden des Kastens sind in der Höhe der Nadeln Striche gezogen, welche
in Uebereinstimmung mit einer am Boden festen Libelle zur Beurtheilung der
Stellung der Nadeln dienen. Zur Beurtheilung der Stellung des Magneten ist
in einer Nuthe der Messinghülse ein Mafsstab eingeritzt und die Mutter mit
einer Trommel verbunden, welche in zehn die Zehntel eines Strichs am Mafs-
stab angebende Striche getheilt ist. An der einen Seite ist der Griff einer
Vorrichtung zur Festsetzung der Nadeln,
Alle genannten Theile aufser der über den Deckel hinausragenden Messing-
hülse sind in einem metallenen, mit einer Glasplatte gedeckten Kästchen dicht
verschlossen. Vier Schnüre mit angehängten Gewichten dienen zur Anbringung
im Kompalfskessel. Zu jedem einzelnen Instrument gehört eine besondere Tafol,
aus welcher hervorgeht, welche Vertikalkräfte den verschiedenen Einstellungen
entsprechen.
Ann. d. Hydr., 1881, Hoft V (Mai).