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An der deutschen Küste ersireckte sich das Sturmfeld mit anhaltendem
Regen vom Dollart bis zur Neustädter Bucht, während sonst die Winde meist
nur schwach auftraten; an der östlichen Ostsee herrschten stellenweise Wind-
stillen. Um die Mittagszeit sprang auf letzterem Gebiet plötzlich der Wind
unter raschem Auffrischen nach West um. In Stolpmünde, wo vorher Wind-
stille geherrscht hatte, setzte um 11°%4 Uhr ein starker West ein, der bald
darauf die Stärke 7 erreichte; in Hela ging der bisher nur mäfsige SE plötzlich
in starken SW über, etwas später (etwa 1'/a p) trat dieselbe Erscheinung in
Neufahrwasser, Pillau und Brüsterort ein, an beiden letzteren Stationen steigerte
sich der West sofort zum Sturme.
Beim weiteren Fortschreiten des Minimums nach Osten hin wiederholte
sich dieselbe Erscheinung, welche wir beim Sturm vom 21. desselben Monats
der ganzen deutschen Küste entlang verfolgen konnten: beim Vorübergange
des Minimums Schwächerwerden der Winde und an den südlich von der Bahn
des Minimums gelegenen Stationen plötzliches Umspringen der Winde nach Nord
und beträchtliches Auffrischen derselben. Um 2 Uhr Nachmittags, als das
Minimum etwa zwischen Schleimünde und Flensburg lag, waren an der deutschen
Nordsee die Winde schon nach Nord umgegangen und wehten daselbst allent-
halben in stürmischen Böen, In Borkum herrschte seit Mittag, in Keitum und
Wilhelmshaven seit etwa 1 Uhr, in Bremerhaven, Cuxhaven, Tönning und Flens-
burg seit 2 Uhr Nordsturm, während auf kleineren Gebieten z. B. in der Neu-
städter Bucht stürmische Winde, und im östlichen ""heile der Danziger Bucht
Sturm aus WSW wehte.
„Die in den letzten Tagen vorherrschende unruhige Witterung mit
stürmischen Schnee- und Hagelböen aus E und SE“, so heifst es in einer
Korrespondenz aus Kuxhaven, „machte gestern Nachmittag plötzlich einem
schweren Nordsturme Platz, welcher in kurzer Zeit die Elbe in eine dampfende
und brandende See verwandelte und die auf der Rhede ankernden Schiffe zur
schleunigen Flucht veranlafste. Die gröfseren Schiffe und die Sturmes halber
hier ankernden Dampfer flüchteten sämmtlich, um hinter Medemsand Schutz zu
suchen, wogegen die kleineren Fahrzeuge und Fischer Zuflucht in dem hiesigen
Hafen fanden. Leider hat der Sturm, wie nicht anders zu erwarten stand,
mancherlei Unheil angerichtet und auch hier im Quarantänehafen arg gehaust,
indem er die daselbst liegenden Fahrzeuge mannigfach schlimm beschädigte.“
Der plötzliche Uebergang der Winde aus der westlichen in die nördliche
Richtung vollzog sich, successive von West nach Ost fortschreitend. Am Abend,
als das Minimum Rügen passirte, herrschte an der ganzen Küste von Wangeroog
bis Arcona auf Rügen voller, stellenweise schwerer Nordsturm, auf Bornholm
und in Südschweden Sturm aus NE. Auch das Sturmfeld im Osten mit west-
lichen Winden hatte sich von der Danziger Bucht bis Memel ausgedehnt,
während von Thiessow bis Leba nur mäfsige bis starke meist südwestliche
Winde herrschten, Im westdeutschen Binnenlande dauerten die Stürme allent-
halben fort.
„Ein heftiger Sturm“, so schreibt man aus Köln, „zieht seit Freitag über
unsere Stadt, mit gewaltigen Stöfsen die Fensterscheiben zerschmetternd und
die Ziegel von den Dächern werfend. Auch die wieder höher steigenden
Fluthen des Rheines sind infolge des Unwetters in furchtbarer Erregung.“
Da Fortdauer der stürmischen Witterung wahrscheinlich war, so wurde
um 3: 30” Nachmittags für die ganze Küste die Verlängerung des Signales
angeordnet.
Am 30. um 8 Uhr Morgens, als das Minimum östlich von Riga lag, hatte
sich das Sturmfeld an die Küstenstrecke von Rügen bis Brüsterort verlegt,
während an der Westhälfte der deutschen Küste, wo bis zum Morgen noch
stürmische Böen aufgetreten waren, wieder ruhiges aufklarendes Wetter mit
nach West neigenden Winden herrschte. Ueber den britischen Inseln und
Frankreich hatte sich hoher Luftdruck mit schwacher Luftbewegung gelagert.
Auch im Binnenlande hatte sich die unruhige Witterung ostwärts fortgepflanzt:
in Breslau herrschte Schneesturm aus WNW. In Memel wehte noch frischer
WSW, der etwa um 11®* a. m. nach N umsprang, jedoch nicht die Stärke eines
stürmischen Windes erreichte.