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Das Curische Haff.
Das Curische Haff ist das grösste derjenigen Binnengewässer, welche
sich an den Mündungen grosser Flüsse der deutschen Ostseeküste gebildet haben
und, unter der Bezeichnung „Haff“, dieser Küste eigenthümlich sind, Das Curische
Haff gehört zu dem Gebiet des Niemen- oder Memel-Stromes; es hat ungefähr die
Form eines langgestreckten rechtwinkligen Dreiecks, dessen rechter Winkel im
Süden bei Labiau, und dessen kleinster Winkel im Norden bei Memel liegt.
Die etwas nach innen zu gekrümmte Hypotenuse dieses Dreiecks wird von der
ca. 50 Seem. langen Curischen Nehrung gebildet; der Abstand des rechten oder
südlichen Winkels bei Labiau von der Nehrung, oder die grösste Breite des
Haffs, beträgt 18 Seem.
Die ganze Umgegend am Haff, die Nehrung ausgenommen, ist niedriges
Land; am östlichen Ufer liegt das grosse Delta des Niemen., das unmittelbar
am Haff grösstentheils aus Bruch besteht. Die vielen Arme des Niemen durck-
ziehen vor ihrem Eintritt in das Haff in mannigfachen Winduugen und Abzwei-
gungen die Niederung; vor fast sämmtlichen Mündungen liegen so seichte Barren,
dass nur die ganz flachen Kähne der Fischer sie passiren können. Nur zwei
dieser Mündungen machen hiervon eine Ausnahme und sind Verkehrsstrassen:
es sind dies der Atmatt-Strom und der Nemonien; bei mittlerem Wasserstande
des Haffs hat jedoch auch ersterer nur höchstens 2m Tiefe an seiner Einfahrt,
der Nemonien noch weniger. Auch werden vom Haff aus noch die Deime, an
welcher Labiau liegt, und die Beke bis Cranzbeck befahren; beide sind an der
Einfahrt nicht mehr als 2m tief.
Da nun auch der nördliche Theil des Haffs in seiner ganzen Breite nur
2m Wasser hat, so ist der höchste zulässige Tiefgang für Fahrzeuge nach
Memel, nach dem Atmatt- Strome, nach Labiau und Cranzbeck, bestimmt,
unter 2m. Zu berücksichtigen ist ferner der Umstand, dass der Wasserstand
im Haff veränderlich ist, und dass anhaltende Winde nach der Richtung hin,
nach welcher sie wehen, ein Anstauen des Wassers, an der dieser Richtung ent-
gegengesetzten Seite aber einen mehr oder weniger niedrigen Wasserstand ver-
ursachen; auch tritt in trockenen Jahren, und dann besonders im Hochsommer,
grosser Wassermangel auf den Flüssen ein, wodurch der Verkehr auf denselben
sehr erschwert wird.
Die grössten Tiefen hat das Haff in seinem breiten südlichen Theile,
nämlich 5 bis 6m. Auf solcher Tiefe besteht der Grund mehr oder weniger aus
weichem, grauem Thon mit Muscheln oder Schnecken, auf flacherem Wasser
auch mit Sand vermischt, An den Rändern des Haffs besteht der Grund fast
überall aus hartem Sande. Harter und weicher Grund gehen auf einem 6 bis
$m breiten Streifen, „Schaar“ genannt, in einander über, und zwar in der Art,
dass der weiche Grund den harten bedeckt, und man mit der Peilstange, durch
den weichen Grund hindurch stossend, den harten deutlich fühlt.
Labiau ist für den Verkehr auf dem Haff und für die Anwohner des-
selben nächst Memel der bedeutendste Ort; der kleine weisse Kirchthurm von
Labiau ist mit seiner schlanken grauen Spitze fast im ganzen südlichen Theile
des Haffs sichtbar, Die Deime, ein schmaler Flussarm, der den Pregel bei
Tapiau verlässt, tritt etwa 2 Seem. unterhalb Labiau in das Haff; durch letzteres,
durch die Deime und den Pregel, wird die Verbindung zu Wasser zwischen
Memel und Königsberg hergestellt.
Dicht vor der Einfahrt in die Deime sind im Haff, wie schon erwähnt,
nur 2m Wasser; die Einfahrt geht zwischen 2 Pfählen hindurch, welche roth und
weiss horizontal gestreift sind und an ihrer Spitze je ein rothes Dreieck
tragen. In der Deime selbst sind dann zunächst Tiefen von 10 bis 12m, die aber
bis Labiau allmählich auf 4m abnehmen, Im oberen Theile der Deime bei
Tapiau sind wiederum kaum 2m Wasser.
Nach Osten hin liegt vor der Deime - Mündung ein Steinriff; der Rand
desselben gegen das Fahrwasser hin ist mit 5 rothen Tomen (Fässern) auf
durchschnittlich 2,3m Wassertiefe bezeichnet. Als äusserste Kennzeichnung
des Steinriffs dient eine grössere, rothe spitze Tonne mit Flügel, auf 3m Wasser-
tiefe liegend. Auf diesem Steinriff werden durch Fahrzeuge viele Steine gefischt,
welche bei den Hafenbauten in Memel und Pillau zur Verwendung kommen.