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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 5 (1877)

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wir das Wasser bereits auf 0°, oder sobald wir in 50° Nord-Br. die Wasser- 
temperatur 0° messen, können wir unsere Besteckslänge zu 50° West festsetzen. 
Jetzt heisst es: „besonders aufpassen!“ Wir sind im arktischen Strom, der bis 
Mai und Juni hier das Scholleneis der Hudsonsbai aufnimmt und mit sich südwärts 
(führt. Wir halten uns vorsichtshalber in dem Wasser von 0°, zumal ein schnee- 
heller Schein in der westlichen Kimm ein sicheres Zeichen ist, dass dort aus- 
gedehnte Eisfelder treiben. In dem diese umgebenden Wasser erblickt man 
ausserdem viele vereinzelte und zerbröckelte Schollen, so dass man bei einiger 
Aufmerksamkeit selbst im dichtesten Schucesturm noch Zeit behält, die Segel 
Fortzunehmen, beizudrehen oder den Kurs zu ändern. So gefährlich, als dies 
Packeis im Allgemeinen geschildert wird, ist es auch lange nicht. Vorzüglich 
sind die Kanten durch das Gewoge der See zu mürben Tafeln von ca. 3 Met. 
Durchmesser abgespült. Ich war einst Nachts bei einem Schneesturm in das 
Packeis hineingerathen, brauchte 5 Tage, um mich wieder herauszuarbeiten und 
hatte nur geringe Beschädigung am Kupfer. Veerfault dürfen allerdings die 
Schiffsplanken nicht sein, sonst könnte man doch wohl die bis dahin schnellste 
Reise hier zu theuer bezahlen müssen. 
Der Wind erlaubt uns stets zu kursen, und so steuern wir in eiresn 
120 Seem, Distance bei 0° Wassertemperatur parallel mit der Küste von New- 
fundland um Cap Race herum. Sonnenobservationen, auf die wir uns verlassen 
konnten, hat es während der ganzen Reise kaum gegeben, doch zeigten uns 
Schaaren von Seevögeln, wie die vom tiefen Blau zu schmutzigem Grün sich 
verändernde Farbe des Seewassers, dass wir uns an der Kante der Neufundland- 
Bank befinden, wo wir das Besteck mit den erhaltenen Lothungen möglichst in 
Uebereinstimmung zu bringen suchen. 
Jetzt gilt es, dem Golfstrom fern genug zu bleiben, um die günstigen 
Wirbelquadranten nicht zu verlieren, und, wenn möglich zwischen Sable Island 
und der Küste von Neuschottland durchzusteuern, falls die auf den Bänken 
herumtreibenden Eisfelder es erlauben. 
Manche Capitaine versehen es hier durch allzugrosse Aengstlichkeit oder 
nicht genügende Berücksichtigung der Versetzung‘ durch den arktischen Strom, 
Sie setzen ihren Kurs zu südlich und finden den Wirbel immer nördlicher und 
nordwestlicher verändern, so dass sie genöthigt werden, mit kleinen Segeln an 
den Wind zu brassen, Gehen sie nicht noch bei Zeiten über Backbord-Halsen, 
und suchen sie nicht die Ostquadranten wieder zu gewinnen, so treibt sie der 
Golfstrom bald in das Wasser von 12° C, Temperatur, bei Weststurm, starker 
Gegenströmung und gefährlicher See. Jetzt wollen sie nicht weiter südwärts 
liegen und halsen nordwärts auf das Centrum los, wo sie tagelang in den ver- 
kehrten Wirbelquadranten herumtreiben und noch von Glück sagen können, 
wenn der Lauf des Wirbels schneller ist als ihr Abtreiben, so dass sie im 
Stande sind, nordwärts ihre alte Position wieder zu gewinnen. 
Auch uns hat der Wirbel mit NNE-Wind verlassen, und nach kurzer 
Stille ein neuer mit SSE-Wind eingesetzt, der bald an Stärke zunehmend auf 
SE, ESE und Ost übergeht. Das früher nur hin und wieder durch Schneeschauer 
unterbrochene günstige Wetter wird zu einem dichten Schneegestöber, welches 
aus den erstarrten Wasserdünsten des Golfstromes gebildet wird, die ihn mit Süd- 
and SW-Wind verlassen haben. Wie die caraibische Strömung verbunden mit 
Ebbe und Fluth der Küste auf unsern Kurs gewirkt hat, ist seit Ablothung der 
Neufundland Bank schwer zu beurtheilen, und drängt sich uns die Befürchtung 
auf, dass wir bei Veränderung des Kurses gerade hierdurch auf Sable Island los- 
rennen möchten. Zwar lässt sich das Tiefseeloth anwenden; doch ist auf 91 Met. 
‘/50 Fad.) Tiefe und darüber schlecht lothen; einzelne Lothungen nützen wenig, 
das Loth müsste gehend gehalten werden, wodurch viel kostbare Zeit und günstiger 
Wind verloren gehen würden. Indessen unser alter Rathgeber ist zur Hand. 
Wir messen die Wassertemperatur 3.75° C. und wissen, dass wir, durch den 
westlich von Neufundland herunterfliessenden Arm des arktischen Stromes süd- 
wärts versetzt — wie es unter 10 Fällen 9 Mal vorkommen wird —, uns jetzt 
vor Sable Island nicht mehr zu fürchten brauchen, sondern ruhig unsern Kurs 
südlich von demselben steuern können, falls wir es nicht noch riskiren wollen, 
mit schralerem nördlicherem Kurse innerhalb durchzugehen.
	        
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