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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 5 (1877)

Diese letztere Route wird von Maury u. A. hauptsächlich für die 
Winterszeit empfohlen, und ihre Dauer vom Kanal aus im Durchschnitt auf 
50 Tage angenommen. Doch lehrt die Erfahrung, dass Schiffe häufig die Reise 
südwärts machten, ohne einen entsprechend lohnenden Passat zu finden, oder 
dass, wenn sie von den westindischen Inseln nord wärts steuern wollten, sie an 
der amerikanischen Küste so anhaltende nördliche Winde antrafen, dass die Reise 
auf 70 bis 80 Tage verlängert wurde, 
Die mittlere Route, bei welcher man gegen die veränderlichen Winde 
ansteuern muss, reizt durch ihren geraden Weg, vorzüglich wenn man das 
Glück hat, durch einen Ostwind vom Kanal aus noch eine Strecke in den 
Atlantischen Ocean geschoben zu werden; sie ist im Sommer auch ebenso 
cmpfehlenswerth, als eine der anderen. In den kalten Monaten dagegen be- 
kommt man es hier bald mit den Einflüssen des Golfstroms, seinen Wirbel- 
stürmen, seinem Gegenstrom und der kreuzweis durcheinanderlaufenden, hohen 
See zu thun, So dass die Reise meistens nur langsam vorwärts schreitet, und 
der Capitain nach anhaltenden Weststürmen in 30° West-Lg. oftmals zu dem 
Entschluss kommt, den Rest der Länge im Passat absegeln zu wollen. Er holt 
las Ruder auf und steuert südlich voll durch. Doch dauert dies nicht lange; 
der Sturm flauf ab und fällt auf Süd und SSW zurück, so dass er genöthigt 
wird, wieder über den andern Bug zu gehen und den Südwind auszunutzen, so 
lange er anhalten will. Dies wird ebenfalls nicht lange dauern; bald ist der 
Wind wieder Sturm aus West und NW. Nachdem der Capitain noch ein paar 
Mal denselben Versuch gemacht hat, ergiebt‘ er sich in sein Schicksal und 
macht West so gut oder schlecht er kann. Die wenigsten Capitaine entschliessen 
sich, bei NW das Schiff mit Backbordhalsen liegen zu lassen, weil vielen von 
ihnen das genügende Verständniss der Wirbelwinde fehlt, und weil sie glauben, 
den augenblicklichen kleinen Vortheil nicht vergeben zu dürfen, So bleiben sie 
stets im Bann der verkehrten Wirbelquadranten, und machen oft Reisen von 
ungewöhnlich langer Dauer. 100—120 Tage Reisedauer ist hierbei durchaus 
nichts Ungewöhnliches mit vieler Havarie, 
Die nördliche Route in der kalten Jahreszeit einzuschlagen, ist bis jetzt 
von theoretischem Standpunkte aus entschieden widerrathen worden. Wenn der 
Capitain eben nicht mit den Wirbeln zu arbeiten versteht, kann er hier aller- 
dings in genau dieselben Verhältnisse gerathen, welche ihm auf der mittleren 
Route so übel mitspielen würden, da er dann meistens denselben Fehler 
begehen und suchen wird, Süd zu gewinnen, wo er nordwärts liegen sollte. 
Der Zweck dieser Zeilen ist nun, diese nördliche Route und zwar für die 
kalten Monate zur Empfehlung zu bringen,') da ich während 17jähriger 
Fahrzeit als Schiffsführer auf mehr als 30 Reisen nach Nord-Amerika Gelegen- 
heit gehabt habe, die Wind- und Stromverhältnisse auf diesen Touren ein- 
ychender Untersuchung zu unterziehen und die schnellsten Reisen stets im 
Norden gemacht habe. Einige Reisen von der Ostsee nach New-York legte ich 
auf dieser nördlichen Route sogar in weniger als 30 Tagen zurück, 
Unter Berücksichtigung der Einflüsse des Golfstromes und namentlich der 
Wirbelwinde an den Grenzen der warmen Golf- und der kalten Polarströmung 
in den Wintermonaten haben wir unser Augenmerk auf nachstehende zwei 
Hauptpunkte zu richten: 
1) Denjenigen Weg zu wählen, durch welchen uns bei grösster Kürze 
die meiste Gelegenheit zur Benutzung von Wirbelwinden in ihren uns günstigen 
Quadranten geboten wird; 
2) die Wirbelregion dort anzusteuern, wo die nicht zu grosse Stärke 
der Wirbelwinde uns die geeignetste Segelführung zur Beschleunigung der Reise 
arlaubt. 
Nach den auf Grund dieser Betrachtungen während meiner langjährigen 
Reisen nach Amerika gemachten Erfahrungen habe ich gefunden, dass von den 
Jrei oben erwähnten Routen für die Wintermonate die nördliche Route die 
beste ist; diese führt Nord um Schottland in ca. G0° Nord-Br. an der Südküste 
von Island cntlang bis zu 35° und 38° West-Lg., von dort auf Cap Race los — 
1) Vgl. diese Annalen 1877, pay. 226, wo Capt., Hegemann auf diese Reisen von Capitain 
Neumann aufmerksam macht. A, d. Rı
	        
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