lie beobachtete Deviation konnte immer controlirt, und der Kurs des Schiffes
zingehalten werden, Das Ungenügende dieses empirischen Verfahrens bei der
Deviationsbestimmung ist aber sofort einleuchtend, wenn man bedenkt, dass in
inseren Breiten in den Wintermonaten oft wochenlang die Sonne gar nicht,
oder doch nur auf Momonte zu sehen ist, und in engen Gewässern verschiedene
Kurse gesteuert werden müssen. Dazu kommt noch, dass dort das sonst zuver-
ıässigste Mittel der Landpeilungen den Seemann in Stich lässt, da dieselben
vegen der nicht genau gekannten Compassfehler sämmtlich um einen gewissen
Winkel verschoben werden.
Da ausserdem der Krängungsfehler des Compasses, der bei den Compass-
adjusteuren in England meistens nicht mitbestimmt wird, von vielen Capitainen
zar nicht einmal gekannt, von wenigen aber nur richtig in Rechnung gezogen
wird, so ist es nicht zu verwundern, wenn manche eiserne Schiffe so oft aus
ihrem Kurse sich befinden, zeitraubende Umwege machen müssen und unter er-
schwerenden Umständen z. B. bei länger anhaltendem stürmischem Wetter und
in Havariefällen, wo Nothhäfen einzulaufen sind, und dabei ganz andere Kurse, wie
die gewöhnlichen, gesteuert werden müssen, thatsächlich versegelt werden, so
dass Verlust an Kapital und Menschenleben entsteht.
Diesen Missständen abzuhelfen, die durch eine unwissenschaftliche Be-
handlung der Deviationsfrage und eine oft sinnlose Aufstellung der Compasse
oder planlose Adjustirung derselben entstandenen Vorurtheile zu beseitigen,
zowie durch zweckmässige Einrichtungen und Organisirung der Beobachtungen
aine grössere Sicherheit in der Navigirung eiserner Schiffe hervorzurufen, musste
daher in erster Linie Aufgabe der Seewarte sein.')
Dass diese Aufgabe nicht dadurch gelöst werden konnte, einfach Devia-
Aonsbestimmungen der Compasse zu machen und den Capitainen Deviations-
tabellen mitzugeben, liegt auf der Hand. Es musste vielmehr dahin gestrebt
werden, die mancherlei Fehlerquellen soviel als möglich zu beseitigen und Vor-
kehrungen zu treffen, welche die Garantie einer gesetzmässigen, durch einfache
Beobachtungen zu erkennenden und mit einfachen mathematischen Formeln dar-
zustellenden Aenderung in den Deviationen der Compasse boten. Nach den
aus den Untersuchungen des Liverpooler „Compass-Committee“, den Arbeiten
and Untersuchungen von Evans, Archibald Smith, Scoresby u. A. gewonnenen
Erfahrungen?), sind die beiden Hauptbedingungen, um die Deviationen der Com-
passe innerhalb enger Grenzen zu halten und vor zu starken Aenderungen
3) Diese Gesichtspunkte wurden in dem Aufsatze über die Deutsche Seewarte in Hamburg,
‚Ann. d. Hydr.“, 1875, pag. 101, dargelegt und sind seitdem durchgeführt worden.
2) Eigenthümlicher Weise werden diese Erfahrungen von einem grossen Theile der englischen
Compassadjusteure theils aus Unkenntniss, theils aus Nachlässigkeit, nicht genügend berücksichtigt.
Das Liverpooler „Compass-Committee“ führt im zweiten Berichte verschiedene Beispiele an, wo Com-
passadjusteure wahrhaft sinnlos in Bezug auf die Beobachtungen sowohl, als auch auf die Compen-
sation verfahren und dem Capitain vollständig falsche Resultate mitgegeben haben. Das Committee
schlägt demnach eine staatliche Controle der Compassadjusteure vor und verlangt die Einsendung der
Resultate ihrer Beobachtungen nebst allen Daten über Compensation und Aufstellung der Compasse
an das „Board of Trade“ zur Prüfung. (Second Report from the Liverpool Compass Committee to
the board of trade pag. 28 u. 30.)
Beobachtungen zur Bestimmung der Deviationen der Compasse
an Bord
I
11V
{7
VI
„11
Datum.
Gepeiltes
Azimut oder
gepeilte
Amplitude
/on © oder *
nach dem
Regel-
COmMDAass.
Wahre
Ortszeit,
Wahres
!berechnetes) CGesammt-
Azimut missweisung
der wahre (aus V und VI|
Amplinude gefunden).
von © oder x
Jahr, Monat,
Tag.
Geographische
Das Schiff lag an:
nach
Breite. | Länge,
Regel- | Steuer-
POMPDAaSS, COmMPDaAsSs.
Ye
U
zu bewahren, erstens eine correcte, von veränderlichen und störenden Einflüssen
möglichst freie Aufstellung der Compasse, zweitens die gute Qualität
and gute Construction der Compasse ‘) selbst.
Erst wenn diesen beiden Erfordernissen entsprochen ist, können die
weiteren Untersuchungen über den magnetischen Charakter des Schiffes und
damit auch über die Deviationen der Compasse stattfinden. Um dem Capitain
die nöthigen Aufschlüsse über das Verhalten seiner Compasse auf See und die
in gewissen Lagen und Gegenden zu erwartenden Aenderungen geben zu können,
müssen die sogenannten Constanten der Deviation, namentlich die mittlere Richt-
kraft, die viertelkreisartige Deviation und vor Allem der Betrag des Krängungs-
fehlers bestimmt werden. Auf Grund dieser Untersuchungen kann dem Capitain
dann eine Instruction mitgegeben werden, welche ihn, ausser über die Resultate
derselben, belehrt, auf welchen Kursen namentlich zu beobachten ist, um auf
die leichteste Weise die veränderlichen Elemente in den Deviationen zu erkennen
und wenn nöthig neue Deviationstabellen zu entwerfen. Diese auf See nach
einem bestimmten Systeme angestellten Beobachtungen (s. unten das Schema zum
Eintragen dieser Beobachtungen) müssen dann sorgfältigst discutirt werden, um
daraus einerseits weitere für die sichere Navigirung des Schiffes werthvolle
Resultate ableiten, eventuell eine Verbesserung in der Aufstellung der Compasse
oder der Compensation ausführen, andererseits mehr Erfahrungen zur Förderung
der Deviationslehre überhaupt sammeln zu können.
Obgleich diese, im Obigen entwickelten Aufgaben der Seewarte mit Rück-
sicht auf diesen Gegenstand bereits in verschiedenen Aufsätzen?) und öffent-
lichen Vorträgen in Bremen, Königsberg, Danzig und Stettin mit klaren und
deutlichen Worten bei Beginn und im Verlaufe der Thätigkeit des Instituts mit-
getheilt waren, stiess die Seewarte bei der Durchführung des Programms den-
noch anfangs auf erhebliche Schwierigkeiten, welche zum grossen Theile einem
gewissen Misstrauen und einer falschen Deutung der Absichten der Seewarte
zuzuschreiben waren. Von mancher Seite wurde sogar behauptet, die Seewarte
wolle durch ihre Beobachtungen im Hafen und die getroffenen Vorkehrungen
zum Schwaien der Schiffe behufs Deviationsbestimmungen die Beobachtungen
auf See überflüssig machen und die Capitaine in verderbliche Sicherheit wiegen,
während doch das gerade Gegentheil beabsichtigt wurde, und der Capitain erst
recht auf die Gefahren der Compassfehler und auf ihre Aenderungen aufmerksam
gemacht werden sollte. Erst allmählich, theils durch persönlichen Verkehr in
den betreffenden Kreisen, theils durch die an einzelnen Schiffen ausgeführten
Arbeiten und Untersuchungen selbst, deren Werth bald erkannt wurde, gelang
es, mehr Boden zu gewinnen, und steigerten sich denn auch die an die See-
warte gestellten Anforderungen in so erfreulicher Weise, dass bis Ende Juli
dieses Jahres von der Centralstelle und den Agenturen bereits 70 eiserne Schiffe
1) Die Construction der Compasse ist noch immer der Verbesserung fähig, und werden auch
hierüber von der Seewarte weitere Erfahrungen gesammelt.
2) Vgl. z. B. Annal. d. Hydrogr., 1875, pag. 1038, worin es ausdrücklich heisst: Nur stete
Beobachtnng allein bewahrt vor Irrthümern und vermag die Zuverlässigkeit des Compasses zu
sichern. Diese Beobachtungen zu organisiren u. 8. W.
111
VI
IV
X
Deviation
Missweisung
(Variation)
nach
der Karte.
des
Regel- |
compasses Steuer-
aus VIX und
VNI ge-
funden).
Neigung des
Schiffes
(nach Steuer-
bord 4, nach
Backbord —)
Bemerkungen
COMpa8Sseß.
Ann, d. Hydr., 1877, Heft VIIT (August).