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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 5 (1877)

lie beobachtete Deviation konnte immer controlirt, und der Kurs des Schiffes 
zingehalten werden, Das Ungenügende dieses empirischen Verfahrens bei der 
Deviationsbestimmung ist aber sofort einleuchtend, wenn man bedenkt, dass in 
inseren Breiten in den Wintermonaten oft wochenlang die Sonne gar nicht, 
oder doch nur auf Momonte zu sehen ist, und in engen Gewässern verschiedene 
Kurse gesteuert werden müssen. Dazu kommt noch, dass dort das sonst zuver- 
ıässigste Mittel der Landpeilungen den Seemann in Stich lässt, da dieselben 
vegen der nicht genau gekannten Compassfehler sämmtlich um einen gewissen 
Winkel verschoben werden. 
Da ausserdem der Krängungsfehler des Compasses, der bei den Compass- 
adjusteuren in England meistens nicht mitbestimmt wird, von vielen Capitainen 
zar nicht einmal gekannt, von wenigen aber nur richtig in Rechnung gezogen 
wird, so ist es nicht zu verwundern, wenn manche eiserne Schiffe so oft aus 
ihrem Kurse sich befinden, zeitraubende Umwege machen müssen und unter er- 
schwerenden Umständen z. B. bei länger anhaltendem stürmischem Wetter und 
in Havariefällen, wo Nothhäfen einzulaufen sind, und dabei ganz andere Kurse, wie 
die gewöhnlichen, gesteuert werden müssen, thatsächlich versegelt werden, so 
dass Verlust an Kapital und Menschenleben entsteht. 
Diesen Missständen abzuhelfen, die durch eine unwissenschaftliche Be- 
handlung der Deviationsfrage und eine oft sinnlose Aufstellung der Compasse 
oder planlose Adjustirung derselben entstandenen Vorurtheile zu beseitigen, 
zowie durch zweckmässige Einrichtungen und Organisirung der Beobachtungen 
aine grössere Sicherheit in der Navigirung eiserner Schiffe hervorzurufen, musste 
daher in erster Linie Aufgabe der Seewarte sein.') 
Dass diese Aufgabe nicht dadurch gelöst werden konnte, einfach Devia- 
Aonsbestimmungen der Compasse zu machen und den Capitainen Deviations- 
tabellen mitzugeben, liegt auf der Hand. Es musste vielmehr dahin gestrebt 
werden, die mancherlei Fehlerquellen soviel als möglich zu beseitigen und Vor- 
kehrungen zu treffen, welche die Garantie einer gesetzmässigen, durch einfache 
Beobachtungen zu erkennenden und mit einfachen mathematischen Formeln dar- 
zustellenden Aenderung in den Deviationen der Compasse boten. Nach den 
aus den Untersuchungen des Liverpooler „Compass-Committee“, den Arbeiten 
and Untersuchungen von Evans, Archibald Smith, Scoresby u. A. gewonnenen 
Erfahrungen?), sind die beiden Hauptbedingungen, um die Deviationen der Com- 
passe innerhalb enger Grenzen zu halten und vor zu starken Aenderungen 
3) Diese Gesichtspunkte wurden in dem Aufsatze über die Deutsche Seewarte in Hamburg, 
‚Ann. d. Hydr.“, 1875, pag. 101, dargelegt und sind seitdem durchgeführt worden. 
2) Eigenthümlicher Weise werden diese Erfahrungen von einem grossen Theile der englischen 
Compassadjusteure theils aus Unkenntniss, theils aus Nachlässigkeit, nicht genügend berücksichtigt. 
Das Liverpooler „Compass-Committee“ führt im zweiten Berichte verschiedene Beispiele an, wo Com- 
passadjusteure wahrhaft sinnlos in Bezug auf die Beobachtungen sowohl, als auch auf die Compen- 
sation verfahren und dem Capitain vollständig falsche Resultate mitgegeben haben. Das Committee 
schlägt demnach eine staatliche Controle der Compassadjusteure vor und verlangt die Einsendung der 
Resultate ihrer Beobachtungen nebst allen Daten über Compensation und Aufstellung der Compasse 
an das „Board of Trade“ zur Prüfung. (Second Report from the Liverpool Compass Committee to 
the board of trade pag. 28 u. 30.) 
Beobachtungen zur Bestimmung der Deviationen der Compasse 
an Bord 
I 
11V 
{7 
VI 
„11 
Datum. 
Gepeiltes 
Azimut oder 
gepeilte 
Amplitude 
/on © oder * 
nach dem 
Regel- 
COmMDAass. 
Wahre 
Ortszeit, 
Wahres 
!berechnetes) CGesammt- 
Azimut missweisung 
der wahre (aus V und VI| 
Amplinude gefunden). 
von © oder x 
Jahr, Monat, 
Tag. 
Geographische 
Das Schiff lag an: 
nach 
Breite. | Länge, 
Regel- | Steuer- 
POMPDAaSS, COmMPDaAsSs. 
Ye 
U 
zu bewahren, erstens eine correcte, von veränderlichen und störenden Einflüssen 
möglichst freie Aufstellung der Compasse, zweitens die gute Qualität 
and gute Construction der Compasse ‘) selbst. 
Erst wenn diesen beiden Erfordernissen entsprochen ist, können die 
weiteren Untersuchungen über den magnetischen Charakter des Schiffes und 
damit auch über die Deviationen der Compasse stattfinden. Um dem Capitain 
die nöthigen Aufschlüsse über das Verhalten seiner Compasse auf See und die 
in gewissen Lagen und Gegenden zu erwartenden Aenderungen geben zu können, 
müssen die sogenannten Constanten der Deviation, namentlich die mittlere Richt- 
kraft, die viertelkreisartige Deviation und vor Allem der Betrag des Krängungs- 
fehlers bestimmt werden. Auf Grund dieser Untersuchungen kann dem Capitain 
dann eine Instruction mitgegeben werden, welche ihn, ausser über die Resultate 
derselben, belehrt, auf welchen Kursen namentlich zu beobachten ist, um auf 
die leichteste Weise die veränderlichen Elemente in den Deviationen zu erkennen 
und wenn nöthig neue Deviationstabellen zu entwerfen. Diese auf See nach 
einem bestimmten Systeme angestellten Beobachtungen (s. unten das Schema zum 
Eintragen dieser Beobachtungen) müssen dann sorgfältigst discutirt werden, um 
daraus einerseits weitere für die sichere Navigirung des Schiffes werthvolle 
Resultate ableiten, eventuell eine Verbesserung in der Aufstellung der Compasse 
oder der Compensation ausführen, andererseits mehr Erfahrungen zur Förderung 
der Deviationslehre überhaupt sammeln zu können. 
Obgleich diese, im Obigen entwickelten Aufgaben der Seewarte mit Rück- 
sicht auf diesen Gegenstand bereits in verschiedenen Aufsätzen?) und öffent- 
lichen Vorträgen in Bremen, Königsberg, Danzig und Stettin mit klaren und 
deutlichen Worten bei Beginn und im Verlaufe der Thätigkeit des Instituts mit- 
getheilt waren, stiess die Seewarte bei der Durchführung des Programms den- 
noch anfangs auf erhebliche Schwierigkeiten, welche zum grossen Theile einem 
gewissen Misstrauen und einer falschen Deutung der Absichten der Seewarte 
zuzuschreiben waren. Von mancher Seite wurde sogar behauptet, die Seewarte 
wolle durch ihre Beobachtungen im Hafen und die getroffenen Vorkehrungen 
zum Schwaien der Schiffe behufs Deviationsbestimmungen die Beobachtungen 
auf See überflüssig machen und die Capitaine in verderbliche Sicherheit wiegen, 
während doch das gerade Gegentheil beabsichtigt wurde, und der Capitain erst 
recht auf die Gefahren der Compassfehler und auf ihre Aenderungen aufmerksam 
gemacht werden sollte. Erst allmählich, theils durch persönlichen Verkehr in 
den betreffenden Kreisen, theils durch die an einzelnen Schiffen ausgeführten 
Arbeiten und Untersuchungen selbst, deren Werth bald erkannt wurde, gelang 
es, mehr Boden zu gewinnen, und steigerten sich denn auch die an die See- 
warte gestellten Anforderungen in so erfreulicher Weise, dass bis Ende Juli 
dieses Jahres von der Centralstelle und den Agenturen bereits 70 eiserne Schiffe 
1) Die Construction der Compasse ist noch immer der Verbesserung fähig, und werden auch 
hierüber von der Seewarte weitere Erfahrungen gesammelt. 
2) Vgl. z. B. Annal. d. Hydrogr., 1875, pag. 1038, worin es ausdrücklich heisst: Nur stete 
Beobachtnng allein bewahrt vor Irrthümern und vermag die Zuverlässigkeit des Compasses zu 
sichern. Diese Beobachtungen zu organisiren u. 8. W. 
111 
VI 
IV 
X 
Deviation 
Missweisung 
(Variation) 
nach 
der Karte. 
des 
Regel- | 
compasses Steuer- 
aus VIX und 
VNI ge- 
funden). 
Neigung des 
Schiffes 
(nach Steuer- 
bord 4, nach 
Backbord —) 
Bemerkungen 
COMpa8Sseß. 
Ann, d. Hydr., 1877, Heft VIIT (August).
	        
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