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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 5 (1877)

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Deviationsbeobachtungen auf Deutschen Kauffahrteischiffen und 
einige daraus gewonnene Erfahrungen, 
(Mittheilung von der Deutschen Seewarte) 
Von C. Koldewey, Vorsteher der Abtheilung II. der Deutschen Seewarte, 
Untersuchungen über die Deviationen der Compasse an Bord eiserner 
Schiffe wurden als eine der besonderen Aufgaben der Seewarte bei dem Ent- 
wurfe des Organisations- und Arbeits-Plans derselben bezeichnet.) 
Bisher war in Deutschland in dieser Beziehung für die Kauffahrteimarine 
noch nichts geschehen?); weder waren in den verschiedenen deutschen Häfen 
geeignete Vorkehrungen zum Schwaien der Schiffe getroffen, noch auch konnten 
sich Schiffsbaumeister, Rheder und Capitaine irgendwo Raths erholen über 
zweckmässige Aufstellung der Compasse, Art und Weise der Bestimmung der 
Deviationen, ihrer Aenderungen und über die Ursachen mancher ihnen räthsel- 
haft vorkommenden Erscheinungen. 
Bei den in Deutschland gebauten eisernen Kauffahrteischiffen wurden die 
Compasse in der Regel so aufgestellt, wie es in England im Allgemeinen in 
Gebrauch war, manchmal ohne Rücksicht auf die umgebenden Eisenmassen zu 
nehmen. Die Schiffe wurden dann, oft sogar noch mit schlecht construirten, für 
die Navigirung eines eisernen Schiffes unzureichenden Compassen, in See ge- 
schickt, und es dem Capitain überlassen, seinen Kurs so gut als möglich zu finden. 
Dass trotzdem verhältnissmässig so wenig Unglücksfälle mit deutschen eisernen 
Schiffen zu verzeichnen sind, ist der beste Beweis für die Vorsicht und Wach- 
samkeit unserer Schiffsführer. Bei dem gesteigerten Verkehr aber und der 
steten Zunahme des Eisenschiffbaues in Deutschland musste sich zur grösseren 
Sicherheit des Seeverkehrs auch in dieser Beziehung das Bedürfniss nach ge- 
gigneten Anstalten für eine systematische Behandlung der Deviationsfrage immer 
fühlbarer machen. Ausser der Gefahr nämlich, welche mit einer Unsicherheit 
in den Compassfehlern auch bei der grössten Vorsicht und Wachsamkeit immer- 
hin verknüpft ist, kommt noch der Umstand in Betracht, dass unter allen Ver- 
hältnissen diese Unsicherheit mehr oder weniger Aufenthalt für das Schiff her- 
vorbringt, ein Aufenthalt, wodurch die Reise verlängert und dadurch die Con- 
eurrenzfähigkeit des Rhedereibetriebes mit dem Auslande erschwert wird. 
Beobachtungen über die Deviationen ihrer Compasse wurden allerdings 
von den Capitainen eiserner Schiffe so oft sich Gelegenheit bot, angestellt, doch 
beschränkten sich dieselben mit wenigen Ausnahmen meistens nur auf die Kurse, 
welche eben gesteuert wurden, und blieben die einzelnen Beobachtungen ohne 
jeden inneren Zusammenhang. An das Entwerfen einer Deviationstabelle für 
alle Kurse konnte schon um deswillen kaum gedacht werden, weil einerseits bei 
der höchst mangelhaften Kenntniss derjenigen Punkte, welche dabei zu beachten 
sind, dieselbe leicht fehlerhaft und unzuverlässig wurde, andererseits auch bei 
den Aenderungen der Deviationen mit der Ortsveränderung des Schiffes, deren 
Ursachen den Capitainen unverständlich waren, und die ihnen deshalb gesetzlos 
und unregelmässig erschienen, der Vortheil regelrechter Tabellen nicht ein- 
leuchten konnte und dieselben demnach als werthlos betrachtet werden mussten. 
In dieser Meinung wurden die Capitaine nur noch bestärkt durch die in England 
gebräuchliche Methode der Adjustirung der Compasse, welche durchschnittlich 
für die Kauffahrteimarine in rein empirischer Weise, ohne Rücksicht auf die 
Aufstellung der Compasse und die dieselben umgebenden Kisenmassen von 
Leuten, denen eine genügende Einsicht in das Wesen der Deviation und deren 
Ursachen mangelt, in der Weise ausgeführt wird, dass die Fehler der Compasse 
möglichst genau für den Augenblick und den Ort compensirt werden. Die 
äbrigbleibenden Fehler werden in eine Tabelle gebracht und dem Capitain ein- 
gehändigt, welcher nicht selten Tabelle und Compensationsmagnete nach einer 
ganz kurzen Zeit als unbrauchbar und verwirrend über Bord wirft und seinen 
Kurs sucht, wie es eben am besten gehen will. Schien die Sonne, und das 
Wetter war klar und sichtig, so kam auch das Schiff nicht so leicht in Gefahr, 
1) Vgl. „Ann, d. Hydr,“, 1875, pag. 103, 
2) Für die Kriegsmarine wurden bereits seit mehreren Jahren die nöthigen Einrichtungen 
(ür eine wissenschaftliche Behandlung der Deviationsfrage getroffen (s. „Hydr. Mitth.“, 1873, No. 26, 
ag, 305).
	        
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