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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 4 (1876)

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Bewegung der Luft in Wirbelstürmen in ihren Hauptzügen kaum mehr zweifel- 
haft, wenngleich auch noch in neuester Zeit Faye in Paris versucht hat, die 
Richtigkeit der Kreistheorie und der nach dieser berechneten Regeln für das 
Manörriren der Schiffe in Wirbelstürmen wiederherzustellen und nachzuweisen. 
Mohn giebt in seinen „Grundzügen der Meteorologie“ (1875) in dem Kapitel 
über Stürme (S. 246) die Darstellung derselben wesentlich in Einklang mit den 
zorherbesprochenen Beobachtungsresultaten, 
Anders steht es mit den Schriften, welche dem praktischen Bedürfniss 
jer Navigation dienen. In allen Segelanweisungen — nicht einmal die neuesten 
Für den Indischen Ocean ausgenommen — ist bedingungslos die Kreisform der 
Iyclone zu Grunde gelegt. Acht Strich vom Winde soll danach das Centrum 
des Sturmes liegen, und auf diese Annahme wird überall eine Reihe von prak- 
‘ischen Regeln gegründet. Geht man aber von der Annahme einer so regel- 
nässigen Form ab, giebt man zu, dass in verschiedener Entfernung vom Centrum 
ine merklich verschiedene Krümmung der Windbahnen angenommen werden 
muss, welche in jedem einzelnen Falle verschieden angeordnet sein kann, so 
wird der Untrüglichkeit allgemeiner kurzer Gedächtnissregeln jeder Boden ent- 
zogen, und es tritt die Forderung an den Seemann heran, das Wesen der Sache 
genauer zu sStudiren, um an Stelle jener Gedächtnissregeln sich beim Eintritt 
ziner Cyclone durch die eigene Erwägung in seinen Massnahmen leiten zu lassen. 
Unter den bisher allgemein adoptirten Sturmregeln, welche übrigens nicht 
lurchweg verworfen werden sollen, sondern nur für jeden Specialfall der ge- 
aigneten Modification bedürfen, ist besonders eine, welche im Licht der neueren 
Anschauung als sehr gefährlich erscheint. Es ist diejenige, welche das Ab- 
halten vor dem Winde anräth. Weht der Wind in irgend einer allmälig zum 
Centrum führenden Richtung, so ist zunächst klar, dass man sich wor dem 
Winde dem Centrum stets nähert. Das Abhalten vor dem Winde darf daher 
nur mit äuserster Vorsicht ins Werk gesetzt werden, denn einmal unternommen, 
wird man sich nicht gern dazu entschliessen, seinen Plan zu ändern. Mehr als 
sonst muss unter diesen Umständen das Barometer zu Ratho gezogen werden. 
Befindet sich das Schiff wirklich genau in der Bahnlinie eines Sturmeentrums, 
30 genügen in der Regel wenige Stunden mit 8 bis 10 Seem. Fahrt, diese ge- 
’ährliche Gegend zu verlassen; das Manöver muss daher, wenn irgend angängig, 
30 lange verschoben werden, bis durch sorgfältige Beobachtung von Wind und 
Barometer an einem und demselben Ort ein sicheres Urtheil über die Sturm- 
zerhältnisse gewonnen worden ist. ; 
Zur Erläuterung dieser Anschauungen und um die Regeln an wirklichen 
Beispielen zu prüfen, sollen im Folgenden die Beobachtungen von zwei Schiffen 
vorgeführt werden, welche beide dem Orkan durch Laufen vor dem Winde zu 
antgehen suchten: das eine Schiff in einem Mauritius-Orkan, welcher durch die 
Arbeit Meldrum’s vollständig untersucht ist, so dass wir im Stande sind, den 
Ort des Schiffes relativ zum Sturmcentrum, und den Ort sowie die Fortbewegung 
des letzteren mit grosser Genauigkeit anzugeben, — das andere im westlichen 
Theile des nördlichen Stillen Oceans, bei welchem wir aus den Aufzeichnungen 
des Loggbuches des Schiffes allein den Verlauf des Sturmes aufsuchen müssen. Es 
wird sich zeigen, dass die Verhältnisse auf der nördlichen Halbkugel mit denen 
auf der südlichen — wenn man das Drehungsgesetz für jede Halbkugel berück- 
sichtigt — im Wesentlichen übereinstimmen. 
1. Bei dem Orkan vom Februar 1860, welcher von Meldrum sorg- 
{ältig erforscht und in seiner oben erwähnten Arbeit als Beispiel vorgeführt ist, 
lag eine französische Corvette auf der Rhede von St. Denis (Insel Reunion). 
Die an Bord derselben beim Herannahen des Sturmes aufgezeichneten meteoro- 
logischen Wahrnehmungen sind folgende (s. umstehende Seite): . 
Auf diese Wetteranzeichen hin musste man sich nach den Sturmregeln 
für vollständig orientirt halten. Die Corvette verliess daher bei dem stark zu- 
nehmenden Wind und Seegang am 25. Februar 9 Uhr 20 Min. Vm. die Rhede 
;s. Posit. A. auf Diagramm I.) und lief vor dem Winde nordwestwärts. Das 
Barometer fiel weiter, Mittags stand es 749.s, und der Wind nahm zu (Mittag: 
Südsüdost 9—10). Um 1 Uhr 40 Min. Nm. wurde beigedreht (s. Posit. B.), aber 
von 2 Uhr ab schon wieder weiter vor dem Winde abgehalten. Der Wind 
olieb zwischen Ostsüdost nnd Südost schwankend, das Barometer fiel schneller.
	        
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