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kann: denkt man sich mit dem Winde vorwärts schreitend, so liegt allgemein
auf der Nordhemisphäre der höhere Druck.rechts, der tiefere links vor einem, auf
der Südhemisphäre umgekehrt, in beiden aber zugleich der hohe Druck schräg
hinter, der tiefe schräg vor einem. Auf unserer Halbkugel kreist also die Luft
um ein Gebiet niederen Luftdrucks — um ein barometrisches Minimum (auch
harometrische Depression genannt) — entgegen der Bewegung des Uhrzeigers,
gleichzeitig in dasselbe hineinströmend; um ein Gebiet hohen Drucks (ein baro-
metrisches- Maximum) aber im Sinne des Uhrzeigers, zugleich aus demselben
ausströmend. Lässt sich nun aus diesem Gesetze in einer allgemeineren und
sichereren Weise, als aus den Angaben der vielfach local beeinflussten Windfahne
selbst: die allgemeine Luftströmung über einem gewissen Landstrich aus der Ver-
theilung des Luftdrucks über demselben erkennen, so giebt ein anderer Satz der
neueren Meteorologie über den Zusammenhang auch der Stärke dieser Luftströmung
mit der Druckvertheilung‘ wenigstens annähernden Aufschluss. Bestimmt man
nämlich die senkrecht auf die Isobaren gemessenen Abstände der letzteren von
einander und berechnet hiernach die auf die Einheit der Entfernung fallende
Druckdifferenz, so findet man, dass, je grösser diese als barometrischer Gradient
“ezeichnete Druckdifferenz ist, um so stärker der Wind in demselben Landstrich
auftritt.
Nach diesen beiden Sätzen kann man die aus der Vertheilung des Luft-
drucks die herrschende Luftströmung für jeden "Theil des zur Untersuchung ge-
zogenen Gebiets nach Richtung und Stärke annähernd ableiten. Der Wind aber
bedingt im ausgedehntesten Sinne das Wetter, und: seine Aenderungen sind meist
solche des ganzen Witterungscharakters, Es ist deshalb für die Wetterprognose
die wichtigste Frage, in welcher Art die Aenderungen der Druckvertheilung
vor sich gehen. Für unsere Breiten weiss man jetzt, dass diese Aenderungen
am häufigsten in der Richtung von West nach Ost, am seltensten in der ent-
gegengesetzten Richtung erfolgen, und dass namentlich die wenig ausgedehnten
und mehr oder weniger regelmässig kreisförmigen oder elliptischen Gebiete
niederen Drucks (barometrischen Minima) sich ganz überwiegend von West nach
Ost fortbewegen; die Durchschnittsrichtung derselben schwankt stellenweise
nach den Jahreszeiten, indem z. B. in Central- und. Osteuropa im Sommer die
Richtung SW—NE, bei den viel häufigeren und intensiveren Minima des Win-
vers aber jene von NW nach SE überwiegt. Mit der Bewegung des Minimums
schreitet selbstverständlich auch der ganze Luftwirbel mit fort; auf seiner
Vorderseite finden wir fast stets deutlich ausgeprägt den warmen und dampf-
reichen südlichen (Aequatorial-) Strom, auf seiner Rückseite den kalten dampf-
armen nördlichen (Polar-) Strom. Da gewöhnlich und im Mittel der Luftdruck
über Südeuropa beträchtlich höher ist als über dem Norden des Atlantischen
Jeeans, so sind die Gradienten gewöhnlich auf der Süd- und Südostseite des
Minimums am grössten und die an dieser Seite wehenden SW-Winde am stärk-
sten, resp. am häufigsten stürmisch. Wenn wir nun Wind und Wetter in weitem
Maasse auf die Vertheilung des Luftdrucks als dessen unmittelbar bedingende
Ursache zurückzuführen lernen, so tritt uns natürlich die andere Frage ent-
gegen: was bedingt die Verschiedenheiten und Veränderungen des Lufidrucks.
Auf diese sehr schwierige Frage, deren Lösung bisher nur zum kleinsten Theile
gelungen, hier näher einzugehen, würde zu weit führen. So viel sei indessen
bemerkt, dass als derjenige Factor, von welchem der Luftdruck am mächtigsten be-
ainflusst wird, die ungleichmässige Erwärmung der Erdoberfläche angesehen
werden muss. Gegen den in der Meteorologie seit Langem geläufigen Ausdruck,
dass die Temperatur-Unterschiede die Winde hervorrufen, ist bloss einzuwenden,
dass dieselben nur insofern dieses thun, als sie Druckunterschiede herbeiführen,
denn zwei Flüssigkeiten von specifisch verschiedenem Gewicht können in zwei
am Boden communicirenden Gefässen sehr wohl in Ruhe nebeneinander befin-
den, wenn der Druck am Boden in beiden Gefässen gleich ist und keine;
Gelegenheit zur gleichzeitigen Ausbildung eines Oberstroms und Enstehung von
Druckdifferenzen gegeben ist. Neben der Temperatur sind der veränderliche
Dampfgehalt der Luft und die Bewegung der Luft selbst von grossem Einfluss
auf die Höhe und .die Veränderungen des Luftdrucks, so dass in dieser letzte-