951
in der That, abgesehen von Strömungen durch ungleichmässige Reibung u. s. w.,
der Fall, wenn die Erde ruhte. Die rasche tägliche Umdrehung der Erde lässt
indessen diese Erscheinung, wenigstens in höheren Breiten, ganz anders werden.
Joder bewegte Körper hat das Bestreben, seine Bewegung in der geraden
Linie fortzusetzen; wird er daran verhindert, so äussert sich dieses Bestreben
'n einem in derselben Richtung ausgeübten Druck; erhält er neue Bewegungs-
impulse nach anderen Richtungen, so setzen sich diese mit der erhaltenen Ge-
3chwindigkeit des Körpers zu Resultirenden zusammen, deren Richtung der
Körper einschlägt. Nun ändern sich aber bei der täglichen Umdrehung der
Erde alle relativ zur Erde festen Richtungen, mit einziger Ausnahme der der
Erdaxe parallelen, beständig in Beziehung auf ihre absolute Richtung im Raume,
wie uns dieses ja durch die scheinbare Bewegung unendlich von der Erde ent.
fernter Punkte, also sehr annähernd durch jene der Fixsterne, auf’s deutlichste
vorgeführt wird. Denn da die Meridiane, ausser am Aequator, während der
Srdrotation ihre absolute Richtung fortwährend ändern, so muss jede Bewe-
zung, welche ihre absolute Richtung beibehält, ihre relative Richtung gegen
die Meridiane fortwährend ändern. Nehmen wir an, ein Körper habe in unseren
3reiten eine nach irgend einem eben aufgehenden Stern am Himmelsäquator
gerichtete Bewegung erhalten, so wird dieser Körper, wenn er diese Bewegung
n ihrer absoluten Richtung beibehält, im weiteren Verlauf der Nacht statt der
3stlichen eine immer mehr südliche und zugleich statt der horizontalen eine
zchief aufsteigende Bewegung erhalten. Dieser verticale, auf- oder absteigende
Theil der Bewegung verwickelt die Betrachtung und ist für uns nicht wesent-
lich; nehmen wir an, dass die Bewegung der Natur der Sache nach auf der
Erdoberfläche bleiben müsse, so finden wir, dass am Aequator, wo die Erdober-
däche der Erdaxze parallel ist, keine Ursache zur Aenderung der Richtung einer
horizontalen Bewegung bezüglich der Meridiane vorhanden ist, da die letzteren
3elbst bei der Erdumdrehung ihre absolute Richtung (nach den Himmelspolen)
beibehalten. Dagegen würde an den Erdpolen, wo die Erdoberfläche eine zur
Drehungsaxe rechtwinklig gestellte Scheibe darstellt, eine horizontale Bewegung,
welche ihre absolute Richtung beibehält, in 24 Stunden alle Striche des Hori-
zonts zu durchlaufen scheinen. Zwischen Pol und Aequator finden wir die
Mittelstufen zwischen diesen beiden extremen Verhältnissen; das genauere Wesen
und Maass dieser Zwischenstufen zu erörtern, würde an diesem Orte zu weit
führen. Genug, dass die scheinbare Ablenkung der Bewegungen während der
Hrdumdrehung um so grösser ist, je höher die Breite. Wenn also in ektro-
pischen Gegenden der nördlichen Halbkugel eine Luftmasse einen Bewegungs-
impuls nach einem z. B. im Westen gelegenen Gebiete niederen Luftdrucks er-
hält, so wird sie durch die Wirkung der Erdrotation, wenn sie die Bewegung
.n dieser Richtung begonnen hat, nach rechts abgelenkt in höhere Breiten —
lie Bewegung wird aus einer östlichen zu einer südöstlichen oder südlichen!);
oekommt die Luftmasse nun durch die Fortexistenz des niederen Luftdrucks
immer neue Impulse nach demselben Punkte der Erdoberfläche hin, so wird
ihre Bahn, welche in jedem Moment der Resultirenden aus der Richtung der
arhaltenen Geschwindigkeit und jener des augenblicklich wirkenden Zuges folgt,
<rummlinig; die Luftmasse kreist um den niedrigen Luftdruck ebenso, wie aus
analogen Ursachen ein Planet um die Sonne kreist, nur dass durch die Reibung
a. s. w. ein Theil der erhaltenen Geschwindigkeit als solche vernichtet wird
und die Luftmasse deshalb sich dauernd dem Centrum nähert, in welchem selbst
ein aufsteigender Luftstrom herrscht, Dieses Hinstreben vom höheren nach
dem.niederen Luftdruck und gleichzeitige Abweichen von dieser Richtung unter
der Wirkung der Erdumdrehung ist ausgedrückt in dem sogenannten Buys-Bal-
lot’schen Gesetz, welches gegenwärtig folgendermaassen allgemein gefasst werden
-, Ganz dasselbe gilt auch für die südliche Halbkugel, wenn man nur statt rechts — links und
statt Süd — Nord setzt. Die für die Meteorologie hochwichtige Lehre von der Ablenkung der Be-
wegungen auf der Erde durch die Rotation der letzteren wird meistens so dargestellt, dass die Ab-
ıenkung durch die verschiedene Umdrehungsgeschwindigkeit verschiedener Breiten bedingt sei; es ist
lies jedoch eine einseitige Darstellung, welche besser vermieden würde, weil sie zu dem falschen Re-
sultat führt, dass eine Ablenkung nur bei Bewegungen in der Richtung des Meridians erfolge. Die
richtige Erklärung liegt in den Prineipien, welche von Poisson aufgestellt und von Foucault in
seinem berühmten Pendelversuch illustrirt sind.