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zu thun haben. Jener Stations-Chef, oder wie er eigentlich heisst: Gouverneur
des Küsten - Departements von Ost - Sibirien, ist bezüglich der reinen Marine-
Angelegenheiten unabhängig von dem wirklichen Gouverneur von Ost-Sibirien,
der in /rkutsk seinen Sitz hat.
Wladiwostock selbst besteht aus einer Anzahl am nördlichen Ufer des
Hafens, an dem Abhange des dortigen Höhenzuges zerstreut erbauter Block-
häuser und kleinerer Holzhütten und zählt die Bevölkerung, einschliesslich des
yesammten Marine- bezw, Militair-Personals und deren Familien, ungefähr 4500
Seelen. Die nicht zu letzterem gehörende Bevölkerung besteht, mit Ausnahme
einiger armen, vom Fischfang lebenden Tartaren, aus den wenigen fremden
Kaufleuten und hauptsächlich aus Chinesen und Koreanern. Die obengenannten
Werft - Anlagen befinden sich an der westlichen Seite des Hafens und sind an
die Stadt anschliessend, während die Baracken an dem östlichen Ende der letz-
teren, am Ende der Bucht (dem goldenen Horn) liegen. Alle Lebensbedürfnisse
werden durch die vorhandenen sieben kaufmännischen Firmen — worunter
3 deutsche, 2 amerikanische, 1 englische und 1 russische — eingeführt, aber
natürlich nur insoweit, als die Waare von den Behörden und der dortigen Be-
völkerung gebraucht wird. Ausser schlechtem Rindfleisch und etwas Kartoffeln
und Kohl producirt das dortige Hinterland gar nichts und ist also für Schiffe
auch nur auf diese Artikel zu rechnen; selbst Wasser ist wegen mangelnder
Vorkehrungen nicht zu bekommen und destilliren daher selbst die russischen
Schiffe. An die vor 4 Jahren begonnene und noch jetzt nicht vollendete Ueber-
siedelung der russischen Marinestation von Nikolajewsk nach Wladiwostock
knüpften sich damals überall hier grosse Erwartungen, Man glaubte darin die
Entstehung eines grossen Kriegshafens und Handelsplatzes und damit die Er-
öffnung aller noch unerschlossenen Hilfsquellen eines, wie mir versichert wurde,
an und für sich reichen, jedenfalls ausgedehnten Hinterlandes, oines noch ver-
hältnissmässig neuen und unbetretenen Handelsweges, mit Sicherheit erblicken
zu dürfen. Nach dem, was ich aber jetzt darüber erfahren konnte, hat Wladi-
wostock vorläufig seinen Höhepunkt erreicht. Der Schifffahrteverkehr mag bis
zur Beendigung der Ueberführung der Vorräthe aus Nikolajewsk der jetzige
bleiben oder gar noch etwas zunehmen, der eigentliche Handel wird dadurch
kaum betroffen werden.
Von industriellen Unternehmungen ist nur eine solche zu verzeichnen,
welche wenigstens unabhängig von der unmittelbaren Verwerthung am Orte ist:
Eine deutsch-ostsibirische Handels-Gesellschaft und eine amerikanisch - russische
Firma haben, wie mir mitgetheilt ist, nach langen Bemühungen und unter
drückender Belastung, Goldwäschereien auf der Insel Ascold in’s Leben gerufen,
deren Gewinntragung übrigens noch nicht erprobt ist. Durch den Vertreter der
genannten deutschen Firma, welcher Agent von Lloyd ist, konnte ich die ge-
nauen Daten über den bisherigen Schifffahrtsverkehr von Wladiwostock erhalten,
aus welchen ich den nachstehenden, die bisherige Zunahme ersichtlich machen-
den Auszug folgen lasse.
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Datum
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‚872 | 50. Juli |21. Octbr.- 18 | 2789 6 962 11
1873 119. April| 8.Dzbr. 28 8528 10 2789 | 16
{Im Novbr. keine.)
(874 12. März | 1. Nvbr. 37 10396] 12 3776 18
‚875 *)| 28. März {| 12. Sept. | 34 12724 | 11 4229 1:
*) Als Vergleich zu dem oben mitgetheilten Schifffahrtsverkehr von Wladiwostock im
Jahre 1875 bringen wir hier im Auszuge eine unter Nikolajewsk, d. d, 28, October 1875 in der
„Hamburger Börsenhalle“ No. 19829 vom 15. März 1876 veröffentlichte Notiz der Herren
Gebrüder Dieckmann & Co. zu Nikolajewsk über den dortigen Schifffahrtsverkehr:
Im Jahre 1875 kamen 23 Kauffahrteischiffe mit Ladung nach Nikolajewsk und waren
dabei der Flagge nach vertreten: