Hans Klaus Meyer: Luftmassenbewegung und Luftmassenumwandlung in einer rasch ziehenden Zyklone 31
Wie schon erwähnt, bedeutet die Gleichgewichtsgleichung (11) nichts anderes als eine mathe
matische Folgerung aus dem Gradientwindgesetz. Wenn nun die Luftmassen für die Gleichgewichts
gleichung (11) zu leicht oder zu schwer sind, dann ist das gleichbedeutend mit Abweichungen vom
Gradientwindgesetz. Die Tatsache aber, daß die Vertikalbewegungen stets so gerichtet sind, daß die
Luftmassen dem Gleichgewicht wieder zustreben, läßt den Schluß zu, daß die Abweichungen vom
Gradientwindgesetz nur schwach oder kleinräumig und kurzfristig sind und im Großen mit dem
Gradientwindgesetz gerechnet werden kann.
V. Die dynamischen Vorgänge an der Vorderseite, an der Rückseite
und beim Okkludieren
Nachdem in den bisherigen Abschnitten die horizontale und vertikale Luftmassenbewegung
mehr allgemein behandelt wurde, soll in diesem Abschnitt etwas mehr ins einzelne gegangen werden
und der dynamische Vorgang an der Vorderseite, an der Rückseite und beim Okkludieren be
trachtet werden.
1. Für ein eingehendes Studium der Luftmassenbewegung an der V orderseite und an der
Warmfront sind die Luftbahnen bestens geeignet.
Ebenso wie nach Abschnitt II die Massenzusammensetzung der Gesamtzyklone einem dauernden
Wechsel unterliegt, so wechselt auch ihre Vorderseite und damit die Warmfront dauernd ihre luft
massenmäßige Zusammensetzung. Um diesen Wechsel etwas näher zu untersuchen, wird am 10. 12.
1937 11.00 Uhr von einem Vertikalschnitt ausgegangen, dessenSpur etwa auf der Linie Malmö-Minsk
liegt und nahezu mit der Bodenfront zusammenfällt. Von dieser Spurlinie aus werden die Luft
bahnen 30 Stunden rückwärts verfolgt. Die einzelnen Lnftbahnen sind in den Karten 21 bis 25 ge
zeichnet und gestatten folgende Aussage zu machen: In den Höhen oberhalb 700 mb legen die Luft
massen sämtlich größere Wege zurück als die Bodenfrontlinie, und zwar im 700-mb-Niveau etwa
die lV2-fache Strecke, im 600-mb-Niveau etwa die zweifache Strecke, im 500-mb-Niveau die 2 bis
2 1 /2-fache Strecke. Im 800- und 900-mb-Niveau sind die Luftmassen etwa gleich schnell wie die
Bodenfrontlinie, und darunter werden die LuftmasseninfolgeReibunglangsameralsdieBodenfront.
Hiernach ergibt sich für die Warmfrontdynamik
etwa folgendes Bild, wie es in der schematischen Figur
17 in einem frontfesten Koordinatensystem dargestellt
ist: In der Reibungszone bis etwa 900 mb werden Luft
massen in die Warmfront einbezogen, die vorher vor der
Warmfront lagen. In den Schichten oberhalb 900 mb bis
etwa 750 mb haben die Luftmassen im wesentlichen die
gleiche Geschwindigkeit wie die Bodenfrontlinie. Die
Aufgleitfront ist also in diesen Höhen massenkonstant,
und die Luftbahnen haben in einem frontfesten Koordinatensystem keine Horizontalkomponente.
In den Schichten oberhalb 750 mb wird die Warmluft über der Bodenfrontlinie laufend durch
neue Luftmassen ersetzt, die von der Südseite der Zyklone herkommen und der Bodenfrontlinie
infolge ihrer hohen Geschwindigkeit vorauseilen. Gerade diese Luftmassen befinden sich nach den
Betrachtungen im Abschnitt IV in kräftiger Aufgleitbewegung und geben Anlaß zu den lang anhal
tenden Niederschlägen. Nur der Tatsache, daß oberhalb eines bestimmten Niveaus die aufgleiten
den Luftmassen stets erneuert werden, sind die großen Niederschlagsmengen zuzuschreiben, die
sich bei Warmfronten häufig über große Räume und Zeiten erstrecken.
Bei den Luftmassen oberhalb 700 mb fällt insbesondere auf, daß sie vor 24 Stunden vielfach
noch auf der Rückseite lagen und später ein Bestandteil der Warmfront werden, wo sie durch Ver
Fig. 17
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