Karl Gripp: Entstehung und künftige Entwicklung der Deutschen Bucht
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V. Die Ergebnisse der Untersuchung für Landgewinnung
und Landerhaltung
Es ist nicht Aufgabe eines Geologen dem Wasser- und Marechenbauer in Einzelheiten gehende
Vorschläge zu unterbreiten. Immerhin sei es gestattet, auf einige Punkte von allgemeiner Bedeu
tung hinzuweisen.
1. Einer der wichtigsten Orte für das Schicksal der Küste der Deutschen Bucht nördlich der
Elbe ist der Sylter Küstenvorsprung. Wird dieser gegen Osten zurückgedrängt, so müssen Röm
einerseits und Kniepsand und sogar Amrum andererseits auch zurückweichen. Wenn die West
küste von Sylt weicht, dürften Skallingen und Fanö gegen Westen anwachsen.
2. Wenn der Westerländer Vorsprung durch Uferschutzbauten gehalten wird, besteht die Mög
lichkeit einer Vertiefung des vorgelagerten Seebereiches. Es erscheint deswegen geboten
a) zu versuchen, das Verhalten des Meeresbodens vor dem Westerländer Vorsprung auf
einige Kilometer in See hinaus durch Seekarten-Vergleich zu ermitteln
b) durch genaue Vermessung den heutigen Tiefenzustand jenes Gebietes festzulegen und in
Abständen zu kontrollieren.
3. Die Unterschiede zwischen unreifen und reifen Watten lehren:
a) im reifen Watt führt starke Eindeichung zur Einengung und letzten Endes Schließung der
Gatts und damit zu größerer Sicherheit der Küste
b) im unreifen Watt geschieht die Landgewinnung am erfolgreichsten, wenn die Landwerdung
vorgeschobener Hochsände gefördert wird durch mechanische und biologische Unterstützung
der Dünenbildung, damit sich in deren Schutze Marsch aufhöhen kann.
4. Der Unterschied zwischen Auffüllungs- und Überflutungswatt ist für die Sinkstofflieferung
wichtig. Beim seitlichen Verlagern der Priele und Eintiefung der tiefen Rinnen in den über
wiegend aus ausgewaschenen alluvialen Feinsanden aufgebauten Auffüllungswatten wird nur
wenig Sinkstoff von tonähnlicher Beschaffenheit frei.
Beim Verändern der Priele und dem Einschneiden tiefer Rinnen im Überflutungswatt
hingegen werden ältere alluviale und diluviale, zum großen Teil tonige Absätze aufgearbeitet
und so der für die Anlandung wichtige feinkörnige Sinkstoff örtlich in verstärktem Maße
geliefert.
5. Die Verlandung eines ganzen Tidehaffs = reifen Wattgebietes ist möglich, wie die Niederlande
lehren.
6. Die Gefahr von Durchbrüchen von Nehrungsinseln dürfte nur gering sein, solange wie der
Wandersand die bei Hochfluten gelegentlich eintretenden Überspülungen wieder ausheilt. Ins
besondere erscheint die Gefahr eines Durchbruches von der Nordsee zum Königshafen kaum
vorhanden zu sein, solange, wie die Sandwanderung an der Westküste andauert und der Königs
hafen versandet bleibt. Eine dort entstehende Rinne hätte keinen Anschluß an das Lister Tief
und würde schnell versanden.
Bei Hörnum ist die Möglichkeit der Eintiefung einer Rinne als Folge einer Überspülung
größer, da hier das im Osten gelegene Tief mit der 6 m Tiefenlinie nur % so weit entfernt ist
wie beim Königshafen. Außerdem würde eine Durchbruchslinie durch den Südzipfel des Hörnum
Hakens sich den südlich anschließenden Ein- und Auslaufsrinnen der Barre des Vortrapp-Tiefs
leicht angleichen.