Karl G r i p p : Entstehung und künftige Entwicklung der Deutschen Bucht
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rungsinselreihe kommt nicht infrage, da das Dithmarscher Watt auf seiner ganzen Breite in
den oberen Schichten aus jungen, der Fauna nach vollsalzigen Meeressanden und darunter ört
lich bis zu erheblicher Tiefe aus älteren alluvialen Meeresabsätzen besteht.
4. Gegen Norden folgt von Eiderstedt bis Westerland auf Sylt ein in seinem heutigen Geschehen
noch wenig geklärter Küstenbereich. Dem Anschein nach zieht vom Westerländer Diffluenz-
Vorsprung eine Strömung nach Süden. Die Anfänge der Nehrungsbildung sind in der Hörnum-
Halbinsel und vielleicht dem Kniepsand vor Amrum gegeben. Allerdings ist noch schwer zu
unterscheiden, was von den Sänden vor Amrum zur Barre vor dem Vortrapp-Tief gehört und
was als Nehrungsinsel zu gelten hat. Vermutlich ist die Sandzufuhr in diesem Küstenabschnitt
nur schwach und dadurch die Ausbildung einer Nehrungsinselreihe nur gering.
5. Der Nehrungsinsel-Bogen von Nord-Sylt bis Blaavandshuk ist von einer gegen Norden gerichte
ten Strömung aufgeschüttet und besteht aus Listland, den Inseln Röm, Fanö und der Halbinsel
Skallingen. Die Nase von Blaavandshuk ist ein Konfluenzpunkt, der vor der alten Geest-Nase
(Abb. 11) durch Sandanhäufung gegen Westen vorverlagert ist. Die Strömung von Süden ist
etwas stärker als die von Norden kommende. Beide zusammen haben das Horns-Riff in die See
hinaus aufgeschüttet. Dies Riff ist vom Festland durch ein Gatt mit Barre getrennt (Abb. 11).
Da der Diffluenzpunkt Westerland durch Abtrag gegen Osten verschoben ist, mußte eine all
mähliche Verlagerung des Küstenbogens eintreten. Möglicherweise hängt hiermit die auffallende
Breite der dortigen Nehrungsinseln zusammen.
Von den Geographen ist seit langem an Meeresküsten mit Nehrungsbildung von einer inneren
und äußeren Küste gesprochen worden. Die äußere Küste wird von den Nehrungsbögen gebildet,
die innere von den Festlandsufern der Haffs bzw. Wattenmeere. In der Deutschen Bucht aber weist
die äußere Küste keinen einzigen Festlandspunkt als Ausgangsort eines
Nehrungsbogens mehr auf. Die Härtlingssporne Texel und Westerland
liegen, weil sie durch Zufalls-Watten vom Festland abgetrennt sind, auf
Festlands-Restinseln. Blaavandshuk ist zwar ein Festlandspunkt, aber
ein Konfluenzpunkt, aho Endpunkt zweier Küstenbögen und als solcher
durch Versandung vorverlagert.
Bei der inneren Küste haben wir zwei Ausbildungsarten zu unter
scheiden : die natürliche innere Küste, die nur selten an der Grenze von
Watt gegen Geest (Dangast im Jadebusen, Duhnen bei Cuxhaven, Scho-
büller Berg bei Husum, Emmerleff Kliff, Ripener Geest, Esbjerg), auf
der ganzen übrigen Küste an der Grenze von Marsch und Geest gelegen
ist. Diese natürliche Grenze entspricht der örtlich größten Ausdehnung
der alluvialen Nordsee und wurde zu verschiedenen Zeitpunkten vom
Meere erreicht.
Im Regelfälle fällt Vor den vorspringenden Festlandspunkten
die innere Küste aus. In der Deutschen Bucht aber zieht die natürliche
wie die gleich zu erwähnende künstliche innere Küste innerhalb
der Nehrungsbogen-Aufhängepunkte hindurch, mit Ausnahme von
Blaavandshuk.
Eine zweite innere Küste entstand anfangs auf natürlichem Wege
dadurch, daß sich Teile des ehemaligen Watts bis zur dauernden Be
grünung auf höhten und so eine neue Küste zwischen Marsch und Watt
entstand. Diese verlor aber ihre Küsteneigenschaften bei Sturmfluten
zugunsten des Geestrandes. Der Mensch hat diese zweite innere Küste
durch stückweise Eindeichung auf gehöhten Wattgebietes zu einer schon
weit in die einzelnen Wattbezirke vorgeschobenen künstlichen inneren
Küste ausgebaut (siehe Abb. 23) die das Land dahinter so gut wie
völlig vor dem Meere schützt.
Abbildung 23
Die drei Arten von Küsten.
Ausgezogen: Ehemalige, natür
liche Innen-Küste.
Gestrichelt: Heutige künstliche
Innen-Küste.
Punktiert: Außen-Küste.