Karl Gripp: Entstehung und künftige Entwicklung der Deutschen Bucht
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Belege. Auch Ordetnann’s Deutung der Inseln als Sandriffe ist unzutreffend. Küstenversetzung
ist beim Aufbau im einzelnen entschieden der wichtigste Vorgang, arbeitet jedoch immer nur lokal,
wie der kräftige Abbruch und die Entwicklung hoher Dünenkliffs im Westen, die typische Haken
bildung auf jeder einzelnen Insel im Osten, auf Sylt im Norden lehren. Doch das verwendete Quarz
sandmaterial kann weder von der hohen Kanalküste (Kreide) noch aus den Flüssen stammen. Es
ist den diluvialen Aufschüttungen der Nordsee entnommen und wird durch Strömungen und Flut
wellen zu den Inseln hingeführt, wo es von der Küstenversetzung auf gegriffen ivird und gegen Osten
bzw. gegen Norden (auf Sylt) wandert. Flutwellen und Ebbestrom halten aber die Tiefs zwischen
den Inseln durch eine kräftige Gezeitenerosion offen. Es handelt sich also um eine unvollkommene
Nehrungsbildung infolge der starken Gezeitenwirkungen. So schloß schon Krümmel: „Die
ganze Bodengestaltung bei den Friesischen Inseln und im Wattenmeer ist auf die starken Gezeiten
ströme zurückzuführen. Denkt man sich die Gezeiten für dieses Gebiet fort, so würden die zahl
reichen Inseln durch die von den herrschenden Westwinden und den ab fließ enden Landwässern er
zeugte örtliche Küstenströmung zu einer einzigen langen Nehrung zusammengefügt sein“... Hierin
ist manches zutreffend, aber manches noch irrig oder unklar. Schon gleich die Verbindung von ost-
friesischen Inseln mit dem holländischen Küstendünen-Gürtel. Zwischen beiden liegt Texel mit
seinem Kern von Diluvium. Unerklärt ist, warum Ordemann’s Anschauung unzutreffend sein
soll, wo doch S. 389 für Trischen diese Art der Entstehung der Düneninseln anerkannt wird. Zwei
deutig ist ferner: „diluviale Aufschüttungen der Nordsee“. Sind Absätze der diluvialen Nordsee
oder diluviale Absätze im Nordseebereich damit gemeint? Für Gebiete wie die friesischen Inseln
hat M a u 11 einmal die Bezeichnung „unvollkommene Nehrungsbildung“, S. 391 unten aber heißt
es außerdem: „Senkung der Küste, wie sie für die Nordsee bezeugt ist, zerlegt gelegentlich die Neh
rungen in Nehrungsinseln, und an gezeitenreichen Meeren halten Ebbe- und Flutstrom die Tiefe
zwischen diesen offen.“
Dazu kann man nur fragen: also doch A. Penck’s zerbrochene Nehrung? Man muß zugeben,
daß hier eine grundsätzliche Klarstellung noch aussteht. Das ist unseres Erachtens darauf zurückzu
führen, daß eine hinreichende Kenntnis über die Entstehung der einzelnen Gebilde noch nicht vor
lag bzw. verschiedene Entstehungsarten nicht scharf genug getrennt wurden.
Es sollen daher nachstehend die für die Formen des Innenrandes der Nordsee in betracht
kommenden Einzelerscheinungen kurz erörtert werden und zwar unter Berücksichtigung ihrer
Entstehung.
Strandwall: amStrande durch Brandung im Bereich der höheren Wasserstände aufgeworfener
Wall aus Sand und Geröll, der Küste parallel verlaufend.
Nehrung: in Fortsetzung eines Landvorsprunges durch Küstenströmung in offenesWasser
aufgeschütteter Wall aus Sand und Geröll. Richtung vom Verlauf der Küste un
abhängig. Dünen und Strandwälle können aufgesetzt sein.
Strandwälle an auf steigender Küste führen zu einer meerwärts absinkenden Folge nebeneinander
gelagerter Wälle z. B. Ostseite der Halbinsel Skagen.
Strandivälle an sinkender Küste treten normalerweise nicht in Mehrzahl auf, da der jeweils jüngere
den nächst älteren zerstört oder überdeckt. So liegen ihrer Höhenlage nach sehr junge Strand
wälle am Fuße der Geest von Heide in Dithmarschen (siehe E. Dittmer 1938). Nur dort,
wo eine Küste nicht parallel, sondern spitzwinklig zur älteren abradiert wird, können sich
Haken gelegentlich mit Strandwällen darauf, auch in sinkendem Küstengebiet in der Mehr
zahl und zwar fächerförmig ausbilden. Dies ist bei den Nehrungshaken von St. Michaelisdonn
in Dithmarschen der Fall (E. Dittmer 1938 S. 127).
Bei Nehrungen sind grundsätzlich zu unterscheiden tidefreie Meere und solche mit erheb
lichem Tidehub. Klassische Nehrungen wie die preußischen liegen in tidefreien Meeren. Wasser
standsänderungen gehen dort so langsam vor sich, daß so gut wie niemals ein erheblicher Unter
schied zwischen dem Wasserspiegel außer- und innerhalb der Nehrung besteht. Der durch die Neh