Karl Gripp: Entstehung und künftige Entwicklung der Deutschen Bucht
21
heutige Lage der Küste sowie die Verteilung und den
Umfang der alluvialen Inseln sowie der Gatt oder Tief
genannten Meeresdurchlässe zwischen den Inseln.
Falls es möglich wäre, die Großform zu erkennen,
die das Meer in einer Bucht mit starker Sandzufuhr
anstrebt, wäre die Grundlage für eine Voraussage über
die weitere Entwicklung der Deutschen Bucht gegeben.
Es ist daher zunächst das Verhalten bewegter
Sandmassen im Randgebiet einer Bucht allgemein zu
untersuchen.
3. Die Formen vom Meere randlich abgelagerter
Sandmassen
Sieht man in der einschlägigen Literatur nach, so
zeigt sich, daß über so wichtige und grundlegende Er
scheinungen wie Strandwall, Nehrung, Haken, Lido,
Watt, Barre, Sandriff usw. durchaus keine endgültige
Klarheit besteht.
In seiner klassischen „Morphologie der Erdober
fläche“ 1894 unterscheidet A. P e n c k Haken und
Nehrung. Band 2 S. 484 u. f. schreibt er: „Dort, wo die
Küste in rechtem Winkel umbiegt, behält der Küsten
strom die bisher befolgte Richtung bei und schüttet in
derselben das Strandgeschiebe in Form eines verhält
nismäßig steilen Dammes im Meere auf... einen sol
chen, an Eckpunkte der Küste geknüpftenDamm nennt
man Haken.. Wächst ein Haken so lange fort, bis er einen einspringenden Winkel der Küste
abschnürt, so wird er zu einer N ehr un g.“
S. 560 heißt es von einer in Absenkung begriffenen Flachküste: „Dann sinken die Nehrungen
unter den Meeresspiegel, die Zahl ihrer Öffnungen mehrt sich unter steter Verbreiterung derselben
und es treten die Lagunen mit dem offenen Meere in so ausgiebige Verbindung, daß sie bald als
dessen Buchten erscheinen, die nur durch einen Zug von Schwemmlandinseln nach außen begrenzt
werden. Dieses Entwicklungsstadium, die zerbrochene Nehrung...“
Den stärksten Einfluß auf die Auffassung und die Bezeichnung der hier erörterten Gebilde
hatte G. Braun mit den Untersuchungen, die er 1911 veröffentlichte. Danach ist zu unter
scheiden, soweit es uns hier angeht:
Strandwall S. 89 ein von den Wellen oberhalb der Flutlinie aufgeworfener freier Wall aus Sand
oder Geröll;
Sandriff S. 89 Sandaufhäufung dort, wo Sog und ankommende Welle zusammenstoßen;
Lido S. 108 Sandanhäufung dort, wo die Brandungsstelle vor dem Ufer auf der Schorre
liegt, also wo aus dem Sandriff durch Aufhäufung ein Schorrenstrandwall,
also ein freier Strandwall wird;
Lagune S. 113 Wasserbecken, rings von litoralen Anschwemmungen umgehen;
Haff S. 113 durch Haken oder Nehrung abgeschnürte Bucht;
Küstenhorn S. 125 dammartige Ablagerung in freiem Wasser in Verlängerung einer Steilküste;
Haken heranwachsendes Küstenhorn;
Haken 1. Ordnung Haken in direkter Verlängerung der Steilküste;
Haken 2. Ordnung eine dammartige Aufschüttung senkrecht zum Haken 1. Ordnung;
Nehrung S. 129 Haken, der sich als meist bogenförmige Sehne einer Bucht der Küste vorlagert.
Die überwiegend Sand verfrachtenden Strömungen in
Küstennahe. Die Pfeile sind aus drucktechnischen
Gründen zu weit von der Küste entfernt angegeben.