Karl Gripp: Entstehung und kün ftige Entwicklung der Deutschen Bucht
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eemzeitlichen Meeresarme und der Urstromtäler mit Zerstörung des Landes durch die vordringende
alluviale See zu rechnen ist. Durch alles dies zusammengenommen sind erhebliche Sandmengen
frei geworden und in Bewegung geraten. Um zu wissen, wohin sie und der vom Nordseeboden stam
mende Sand gewandert sind, fragen wir nach der Richtung der vorherrschenden Strömungen. Die
aber scheinen noch wenig bekannt zu sein, wenigstens fehlt für die küstennahen Gewässer ein zu
sammenfassender Bericht.
F. Zorell (1935) untersuchte den Verbleib des aus der Elbmündung austretenden Süß
wassers. Er kommt zu dem Ergebnis (S. 29): „fest steht, daß eine einzelne Hochwassererscheinung
der Elbe sich bis Horns Riff geltend machen kann.“ S. 51 lesen wir: „Der hydrographische Charak
ter der Deutschen Bucht ist der eines Konvergenzgebietes zwischen hochsalzigem Nordseewasser
und salzarmem Küstenwasser. Über das schwere Nordseewasser schiebt sich das leichtere Küsten
wasser; die Bewegungstendenz des Nordseewassers ist von WNW gegen OSO in die innere Bucht
hinein setzend, die des Küstenwassers nach NW aus der Bucht heraussetzend...“ „Es ist möglich,
an der Hand der neuen Vorstellung zur bisherigen Deutung der Bewegungsverhältnisse in der
Deutschen Bucht Stellung zu nehmen. G. Böhneke läßt auf Grund der Salzgehaltsverteilung in
der Nordsee die Deutsche Bucht von einem links drehenden Wasserwirbel erfüllt sein ... Es scheint
nicht schwierig zu sein, diese im Grunde der Wirklichkeit nahe kommende, aber dabei doch sehr
grobe Anschauungsweise zu ersetzen durch die Vorstellung vom Vorhandensein einer nach NW ge
richteten Konvergenzlinie...“
Diese Konvergenzlinie scheint F. Z o r e 11 abhängig zu sein vom Bodenrelief „... und unge
fähr mit dem relativ steilen Hang des verlängerten Elbtrichters, der durch die 30 und 35 m Iso-
bathe charakterisiert ist, zusammenzufallen. Weiterhin scheint an die Konvergenz die Ausscheidung
der feinsten, von der Elbe mitgeführten Schlicke gebunden zu sein. Diese Ausscheidung tritt auf
der Fischereikarte deutlich in Erscheinung; sie wurde von O. Pratje (1931) ausführlich be
handelt. Ihre Deutung als chemische Ausscheidung beim Zusammentreffen des salzarmen Küsten
wassers mit dem salzreichen Nordseewasser (Aussalzung) ist ohne weiteres plausibel. Da das
Schlickgebiet aber diese bestimmte Lage hat, muß die Konvergenz in diesem Gebiet auch im wesent
lichen so vorhanden sein.“
Zu den Ergebnissen und Anschauungen Z o r e 11 ’ s ist zu bemerken, daß die Untersuchungen
nur den oberflächennahen Teil des Wassers betreffen und außerdem nur für erhebliche Entfernung
von der Küste Geltung haben. Für die Frage der Sandwanderung ist aber eine ausreichende Kennt
nis der Strömungsverhältnisse über dem Meeresboden und besonders eben vor den Außensänden
ausschlaggebend.
Über die küstennahen Strömungen fanden wir folgende Angaben: O. Krümmel schrieb
1911 S. 356 „Man muß aus den Stromvorgängen in der nächsten Nähe Sylts annehmen, daß ungefähr
dort die Schottische Welle sich teilt, indem sie einesteils nach Norden, andernteils nach Süden um
schwenkt. Nach einer Bemerkung in den Gezeitentafeln fand Kapitän Holzhauer auf der Höhe
von Westerland, aber nur in der bis 4 Seemeilen von der Küste abliegenden Zone, eine Trennung
des Flutstromes in zwei Arme, von denen der eine südlich, der andere nördlich verlief. Dasselbe, nur
umgekehrt wurde vom Ebbestrom beobachtet.“
M. B a h r schrieb 1938 S. 56: „Ebenso liegt die Quelle der nordsüdlichen Sandwanderung an
der Schleswig-Holsteinischen Westküste mit aller Wahrscheinlichkeit in der offenen See; weder die
jütische noch die schleswig-holsteinische Küste hat Abbruchstrecken mit starker Sandlieferung.“
Die Angabe von M. B a h r wird sich auf das Gebiet südlich von Westerland beziehen.
Die Westküstenforschung kam für das Gebiet unmittelbar vor dem Ufer von Nord-Sylt
zu dem Ergebnis, daß die Haupt-Sandwanderung eine nördliche Richtung hat und daß im Durch
schnitt jede Sturmfluttide etwa die 70-fache Sandmenge einer Normaltide verfrachtet, und daß die
Gesamtleistung aller Sturmfluttiden im Jahr etwa 20 mal so groß ist wie diejenige aller Normaltiden.