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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 63. Band Nr. 1
Stiegsprotokolle lind nach der Aufstellung des Theodoliten konnten die Ballone gefüllt werden.
Dazu wurde der Startplatz selbst gewählt, weil die großen gefüllten Ballone sonst leicht beim Tragen
an Bord Schaden nehmen können.
Auf dem Motorschiff „Monte Rosa“ erwies sich das Deck vor der Brücke als gut zum Füllen
geeignet. Der steile Aufbau der Brücke staut hier den Fahrtwind, und auch bei seitlichem Wind
waren verschiedene schützende Aufbauten vorhanden. Die Wasserstof flaschen waren im vorderen
blinden Schornstein des Schiffes untergebracht. Von hier wurden Schläuche nach dem Startplatz
gelegt. Ein Matrose übernahm das Öffnen und Schließen der Flaschen. Die Verständigung erfolgte
durch Zuruf. Um die Annäherung rauchender Passagiere und damit eine Entzündung von Wasser
stoffgas zu vermeiden, wurde die Startstelle durch Seile abgesperrt. Beim Füllen der Ballone
wurden die Sonden auf der Leeseite der „Monte Rosa“ an der Reeling aufgehängt, die untere
Antenne wurde frei über Bord gelassen und die obere Antenne zwischen Ballon und Sonde be
festigt. Beim ersten Aufstieg wurden eiserne Gewichte zum Abwiegen des Ballons benutzt.
2,2 kg wurden an den Ballon gehängt, wobei 1,5 kg als Ersatz des Gewichtes der Sonde und ihrer
Batterien und 0,7 kg zum Ausgleichen des freien Auftriebes dienten. Es gab genügend windstille
Augenblicke, in denen sich erkennen ließ, ob das Gleichgewicht erreicht und der Ballon aus
gewogen war oder nicht. Nach der Füllung wurde der Ballon mit einem Holzstopfen verschlossen.
Bei den folgenden Füllungen wurden statt der eisernen Gewichte Pilotballone aus dicker Membran
benutzt, in die eine der angehängten Last und dem freien Auftrieb entsprechende Wassermenge
gefüllt wurde. An der Größe der auf Deck aufliegenden Fläche des Pilotballons ließ sich der Grad
der Füllung gut erkennen. Auch wurde das harte Aufschlagen der Gewichte und damit eine
Beschädigung des Decks vermieden. An die Radiosondengehäuse wurden Briefe befestigt, in denen
dem Finder in der in Frage kommenden Landessprache eine Belohnung entsprechend 10 Reichs
mark zugesichert wurde. Das hatte zur Folge, daß eine der Telefnnkensonden nach dem Auf finden
zur Deutschen Seew T arte zurückgesandt wurde. Weiter wurden die Basismessungen von Tempera
tur, Druck und Feuchte angestellt und dann die Heizleitung der Radiosonde endgültig ange
schlossen. Nun war alles fertig zum Start.
Professor Wigand befürchtete, daß die Ballone nach dem Start durch Leewirbel auf das
Wasser heruntergedrückt werden könnten, wobei die Sonden durch Nässe unbrauchbar geworden
wären. Solche Leewirbel scheinen allerdings selten zu sein. Man beobachtet zwar hin und
wieder, daß ein Pilotballon auf See kurz nach dem Start nicht steigt oder gar fällt
und seinen Aufstieg erst in größerer Entfernung vom Schiff beginnt. Andererseits aber zeigte der
Segelflug der Möven und einige Startproben mit ausgewogenen Pilotballonen, daß sich solche
Strömungsverhältnisse wohl nur kurzzeitig ausbilden. Immerhin schien zunächst einmal Vorsicht ge
boten zu sein. Vor allem sollte bei einem etwaigert Fehlstart die Radiosonde selbst gerettet werden.
Darum ließ sich Herr Professor Wigand die erste Sonde auf die Leeseite der Brücke reichen, die
etwa % Meter über die Bordwand hinausragt. Er hielt das untere Ende der oberen Antenne mit der
einen Hand und die Sonde, an der beide Antennen angebunden waren, mit der anderen Hand. In
einem windschwachen Augenblick wurde der Ballon freigegeben. Da er noch unbelastet war, stieg
er zunächst schnell auf. Als die obere Antenne straff wurde, fing Professor Wigand den entstehen
den Ruck mit der einen Hand auf und gab dann gleich die Sonde frei. Dank der federnden Bänder
des Ballons ging der Start glatt vonstatten. Beim zweiten Start wurde die Sonde nicht mehr von
der Brücke, sondern — ebenso wie der Ballon — vom Deck aus freigegeben. Der Ballon wurde
dabei etwa 10 m auf der Luvseite vor der Sonde hochgelassen, so daß bei dem von vorn einfallen
den resultierenden Wind von 2 m/sec die 12 m lange obere Antenne bereits straff war, als der
Ballon über der Sonde stand. Bei den übrigen zwei Aufstiegen von dem M.S. „Monte Rosa“ herrschte
völlige Windstille, so daß überhaupt keine Startschwierigkeiten auftraten.
Das Arbeiten auf dem M.S. „General Osorio“ war wesentlich bequemer als das Arbeiten auf
dem M.S. „Monte Rosa“. Dank dem großen Entgegenkommen der Hapag und des Herrn Kapitäns
Christiansen waren zur Unterbringung der Wasserstofflaschen ein Geräte-Raum neben dem Trep-