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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte usw. — 62. Band Nr. 8b. Semmel huck-Iteihe: Abhdlg. 4.
Erforscher des dunklen Erdteiles zu werden, sondern das Streben,
füv Deutschland Kolonien, und zwar Siedlungs kolonien, zu erwerben.
Carl Peters wurde am 27. September 1856 als atbies Kind eines Pastors im Dorf Neuhaus
a. d. Elbe geboren, wo es kaum eine Familie gab, die nicht einen der ihrigen draußen überm
Meere und bei der Marine hatte. Der Afrikaforscher Klaus von der Decken war mit
Carls Vater befreundet, und seine Berichte, Livingstones Reisen und „Onkel Toms Hütte"
wurden von Carl Peters förmlich verschlungen. Als Schüler der höheren Sdiule in Lüneburg
machte er ausgedehnte Wanderungen und beteiligte sich an Ringkämpfen. Mit 16 Jahren verlor
er den Vater, er bekam eine Freistelle in Ilfeld im Süclharz, half sich durch Nachhilfestunden
und fand einen treuen Lebenskameraden in dem nachmaligen Afrikaforscher J ü h 1 k e. Auf
der Universität Göttingen erwarb er sich das Celler Stipendium und betätigte sich schrift
stellerisch mit viel Erfolg. Von Tübingen aus erhielt er für eine Arbeit über den Kreuzzug-
von 1101 eine jährliche Unterstützung von RM 1200.—. Zuletzt studierte Peters in Berlin,
wo er 1878 von der Universität die Goldene Medaille erhielt. Er promovierte und machte das
Examen pro fac. doc. 1879—1880.
Im gleichen Jahre ging er nach England, wo der Bruder seiner Mutter als sehr wohl
habender Musikhistoriker lebte. Alle Angebote seines Oheims, dessen großes Vermögen zu
erben, wenn er die englische Staatsangehörigkeit annähme, lehnte Carl Peters ab. „Selbst für
alle Güter der Welt nicht! . . . Ich bin ein Deutscher!“ Aber er schulte sich in England eingehend in
Kolonialpolitik und ließ den Wunsch nach Schaffung eines deutschen Kolonialreiches in sich
reifen.
In Deutschland griff er in die entstehende Kolonialbewegung ein. Es war sein Ziel, bei
der Kolonialgründung vom Sambesi auszugehen und von dort „den dunklen Erdteil von Norden
nach Süden auf zurollen“. 1S84 wurde eine „Gesellschaft für deutsche Kolonisation” gegründet.
Als die Reidisreg’ierimg seinem Sambesiplan eine Absage erteilte, machte ihn Graf von
Pfeil auf den Sansibar gegenüber liegenden Bereich Ostafrikas aufmerksam.
Anfang Oktober 1884 fuhr Peters mit Graf von Pfeil. Jühlke und dem Landwirt Otto
nach Sansibar, um von da aus heimlich und unverdächtig die erste Eroberungsreise nach Ost
afrika vorzubereiten (Tafel 7). Mit 36 Trägern und dem unentbehrlichen Dolmetscher Ramas-
san. der die Sprache der Negerstämme beherrschte, zog Peters mit dem Ruf „Heia Safari!" in
die buntfarbige Tropenwelt.
Aber die Reise war trotz der Zuneigung der Negerhäuptlinge für die Gesundheit der Weißen,
besonders auch infolge des Fehlens von Arzneimitteln, sehr gefahrvoll. Er selbst litt an Malaria
und einer eiternden Fußwunde. Als er beim Häuptling von Usagar eintraf- mußte er mit ihm
krank von der Hängematte aus verhandeln. Es wurde ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen
und der Hauptstützpunkt der „Gesellschaft für Deutsche Kolonien" begründet. Während Graf
von Pfeil und Otto hier blieben, zog er selbst mit Jühlke südostwärts über Ukami zur Küste
zurück. Uber Bombay kehrte Peters, der mit knapper Not dem Tode entronnen war, nach
Deutschland zurück. Jühlke erweiterte das deutsche Schutzgebiet bis zum Kilimandscharo und
starb im Somaliland.
Um Emin Pascha zu helfen, brach Peters 1889 mit Oskar Bordiert und von Tiede-
m a n n auf, um über den Tanafluß, Baringo- und Viktoria-See zu Emin zu stoßen. Trotz man
cherlei Schwierigkeiten durch die britische Kiistenblockade und clie Angriffe der Massai ge
langte Peters bis Uganda, wo er erfuhr, daß Emin Pascha das Reich bereits verlassen hatte.
In Mpapwa trafen beide zusammen. War somit die Expedition vergeblich gewesen, so brachte
sie doch reiche geographische Ergebnisse. Beratend für die instrumentelle Ausrüstung der
Expedition stand ihm die DeutseheSeewarte zur Seite (siehe Seite 42 u. 43). Peters erfuhr,
daß Bismarck nicht mehr Reichskanzler war. und daß Deutschland auf Sansibar zugunsten von
Helgoland verzichtet hatte. 1890 kam Peters wieder nach Bagamojo und kehrte nach 1J4jäh
riger Abwesenheit nach Deutschland zurück. Die Erlebnisse seiner abenteuerlichen Afrikareise
schilderte er 1891 in seinem Buch „Die deutsche Emin-Pascha-Expedition".