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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 61. Band. Nr. 9.
V or bemerk ungen.
Im folgenden werden die in der Astronomie und Nautik üblichen Definitionen des Standes
und Ganges einer Uhr verwendet.
Der Stand ist die Berichtigung, deren die Zeitablesung an einer Uhr bedarf, um zu einer
Angabe richtiger Zeit zu werden. Hierdurch ist das Vorzeichen bestimmt. Positiver Stand be
deutet demgemäß Nachgehen. Unter richtiger Zeit kann je nach Bedarf Ortszeit, Zonenzeit,
Weltzeit, Sternzeit usw. verstanden werden. Der Stand läßt sich durch Stellen der Uhr für
einen bestimmten Zeitpunkt zum Verschwinden bringen. Er ist im übrigen eine Funktion der
Zeit. S = f (t).
Der Gang einer Uhr ist die Differenz zwischen einem Stande und dem um 24 Stunden
vorhergehenden Stande, dividiert durch 1 Tag. Hierdurch ist wieder das Vorzeichen bestimmt.
Positiver Gang bedeutet also Verlieren. Der Gang ist also im allgemeinen auf 24 Stunden be
zogen. Wenn dies besonders betont werden soll, bezeichnet man ihn als ..täglichen Gang“.
S 2 — s,
G - •
u - t,
Der tägliche Gang ist hiernach stets ein Mittelwert. Durch geeignete Eingriffe am schwin
genden System der Uhr kann er näherungsweise zum Verschwinden gebracht werden. Im
Gegensatz zum täglichen Gang muß für die Zwecke der vorliegenden Abhandlung der Begriff
(IS
des augenblicklichen Ganges eingeführt werden. Darunter wird die Ableitung —f'(t)
dt
verstanden.
Die übrigen Einflußgrößen wie Temperatur oder die Schwerkraftrichtung relativ zur Uhr
sind für die einzelnen Abschnitte einer Uhrenprüfung als Konstante zu betrachten.
Zur Beurteilung der Giite eines Zeitmessers sind die Stand- oder Gangwerte nicht zu ver
wenden, sondern nur die Unterschiede zwischen den Gangwerten bei veränderten äußeren
Bedingungen oder die mehr oder weniger zufälligen Veränderungen des Ganges von einem
Tage zum andern, die sog. Gangschwankungen. 1 ) Die einzelnen Gangschwankungen s sind
danach die zweiten Differenzen der im täglichen Abstand bestimmten Stände. Unter mittlerer
Gangschwankung wird im Sinne der Ausgleichsrechnung der Wert
N
n
— 6m verstanden.
wobei durch m der mittlere Fehler einer Standbestimmung berücksichtigt wird.
Das Ziel einer Uhrenprüfung ist stets die Ermittlung der Gangunterschiede unter verschie
denen äußeren Bedingungen oder die Bestimmung der Gangschwankung. Unmittelbar der
Beobachtung zugänglich sind jedoch nur die Stände. Auch bei den sog. Zeitwaagen, die Gänge
registrieren, trifft dies zu. Sie verwenden nämlich im Prinzip alle einen stroboskopischen
Effekt zur Aufzeichnung des augenblicklichen Ganges, d. h. also die verhältnismäßig langsame
Veränderung des Standunterschiedes zwischen der zu prüfenden Ühr und einer Normaluhr. Ver
schieden sind bei den einzelnen Konstruktionen nur die Mittel der Aufzeichnung sowie die
Zeitnormalen.
Während ausländische Apparate meist eingebaute Zeitnormalen in Form von Stimm
gabeln oder Quarzresonatoren besitzen, durch deren Gangkonstanz die erreichbare Fehler
grenze vor vornherein gegeben ist, verzichtet die deutsche Zeitwaage von Siemens & Halske
auf eine eigene Zeitnormale. Es bleibt dem Benutzer überlassen, eine Zeitnormale anzu-
*) Siehe Literatur-Verzeichnis am Ende.