W. Horn: Die astr. Grundlagen des harmon. Verfahrens usw.
21
Wird nun weiter angenommen, daß die Sonne und der Mond sich zwar noch im Äquator, aber nicht
mehr gleichförmig in einer Kreisbahn um die Erde bewegen, sondern mit den verschiedenen Ungleichheiten,
die sich aus den elliptischen Bahnen und im Falle des Mondes auch aus den Sonnenstörungen ergeben, so
sind an der Ms- und Ss-Tide entsprechende Ungleichheiten anzubringen, und zwar in Gestalt weiterer hin
zuzufügender Tiden. Wird nämlich zu einer ersten Tide
Aicosfiit — bi) mit «i = 360 u — Voi,
wofür auch
A’icosai cos ixt — A’isin«i sin iit = Aicosiit 4- Bisinid,
Ai — A’icosai, Bi — A|$in«i,
geschrieben werden kann, eine zweite Tide mit zunächst noch unbekannter Winkelgeschwindigkeit is hinzu
gefügt, so wird
(25)
(Ai cosiit + Bisiniit) + (A 2 cosi 2 t + B 2 sini 2 t)
= [Ai 4- A 2 cos (ii — i 2 )t — B 2 sin (ii — i 2 )t] cosiit
4- [Bi + A 2 sin(ii — i 2 )t 4- B 2 cos (ii — i 2 )t] siniit
erhalten. Das Hinzufügen einer zweiten Tide ist, wenn A[ + B 2 < A? 4- Bi und i, 2 wenig von i, verschie
den angenommen wird, also gleichbedeutend mit einer langsamen periodischen Veränderung der Amplitude
und Phase der ersten Tide, d. h. mit einer periodischen Ungleichheit der ersten Tide. Die Periode dieser
Ungleichheit ist der Zeitraum, binnen dessen (i t — is) um 360 0 zunimmt, und umgekehrt ist durch diese
Beziehung die Winkelgeschwindigkeit i 2 zu bestimmen, wenn eine bestimmte periodische Ungleichheit in der
Bewegung der Sonne oder des Mondes gegeben ist und nun die Winkelgeschwindigkeit einer Tide gesucht
wird, die eine Ungleichheit der S2- oder Ma-Tide von gleicher Periode hervorrufen soll. Da i 2 um den er
forderlichen Unterschied größer oder kleiner als ii sein kann, werden im allgemeinen zu jeder Ungleichheit
zwei Tiden erhalten, deren Vorzeichen und im allgemeinen verschiedene Amplituden den Verlauf der Un
gleichheit in Zeit und Höhe bestimmen. Durch das Hinzufügen einer dritten Tide A 3 cos i :j t 4- B 3 sin i, s t
mit i, — i 3 = — (i, — i 2 ) — zu der Summe (25) zweier Tiden ergibt sich nämlich
[A, 4- (A 2 + A 3 ) cosjM 4- (B ä — Bj) sin t/d] cosiit
4- [B! — (As — A 3 ) sin tpt + (B 2 + B3) cos xpi] cos i t t;
die periodischen Glieder in den eckigen Klammern oder der sinusförmige Verlauf der Ungleichheit können
also beliebig vorgegeben und immer durch zwei Tiden dargestellt werden, deren Winkelgeschwindigkeiten
sich von der der Haupttide um den gleichen Betrag unterscheiden.
Die Bewegung der Sonne weist z. B. nach (10 a) eine elliptische Ungleichheit mit dem Argument (h—pg),
dessen stündliche Änderung (// — 01 q) ist, auf. Aus ihr entstehen, da die Winkelgeschwindigkeit der Ss-Tide
2 (y—») ist, zwei elliptische Sonnentiden mit den Winkelgeschwindigkeiten
2(r — '/) + 0; — “g) = 2/ - - »g und
2 (y — y) — (r/ — c«g) = 2y ~ 3if 4- w Q ,
die als R2- und Ta-Tide bezeichnet werden. Außerdem tritt zu der konstanten Sonnentide, die die Winkel
geschwindigkeit null hat, die langperiodische Tide Sa mit der Winkelgeschwindigkeit (y— wg), also der
Periode eines anomalistischen Jahres. Diese Tide kommt vor allem als meteorologische Tide in Betracht,
müßte als solche allerdings genau genommen die Periode eines tropischen Jahres oder die Winkelgeschwin
digkeit y haben. Die übrigen elliptischen Ungleichheiten der Sonnenbewegung verursachen Tiden mit sehr
kleinen Koeffizienten, die hier übergangen werden können.
Aus der elliptischen Ungleichheit mit dem Argument (s—p ( ,) in der Bewegung des Mondes entstehen zu
der Ms-Tide zwei elliptische Mondtiden erster Ordnung L 2 und N2 mit den Winkelgeschwindigkeiten
2 (y — er) 4- (cr — ei.» £ ) = 2 y — er — co 5 und
2(y — er) — (er — toj) = 2y — 3er 4- eoj
sowie zu der konstanten Mondtide die langperiodische monatliche Mondtide Mm mit der Winkelgeschwindig
keit (ff — Mj), deren Periode also ein anomalistischer Monat ist. Aus der elliptischen Ungleichheit mit dem
Argument 2 (s—p,.) entsteht eine elliptische Mondtide zweiter Ordnung 2 N2 mit der Winkelgeschwindigkeit
2(y — er) — 2(<r — Wf) — 2y — 4 er 4- 2 w j .