W. Horn : Die astr. Grundlagen des harmon. Verfahrens usw.
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keiten der Bewegung nur durch Sinus- oder Kosinusfunktionen mit festen Koeffizienten dargestelit sind, die
also keine sog. säkularen Glieder mehr enthält. Weitere solche Entwicklungsverfahren stammen von Lind
st e d t, vor allem von Gyldén u. a. Poincaré hat dann u. a. in den berühmten „Méthodes
nouvelles de la mécanique céleste“ nachgewiesen, daß zwar auch diese neuartigen Entwicklungen fast alle nicht
konvergieren, aber dennoch für beschränkte Zeiträume sehr gut geeignet sein können, die Bewegungen der
Planeten mit der bei Ephemeriden geforderten Genauigkeit darzustellen. Zweckmäßigkeit einer Lösungsform
für Vorausberechnungen und mathematische Strenge sind daher nicht notwendig miteinander verbunden. Um
gekehrt eignen sich nämlich auch die streng konvergenten Reihen, die S u n d m a n zur Lösung sogar des all
gemeinen Dreikörperproblems angegeben hat und mit denen dieses nach langen Bemühungen bis auf einen
bestimmten Fall als erledigt angesehen werden könnte, nicht für wirkliche Berechnungen. Um wirklich einen
Überblick über bestimmte Bewegungsformen im Dreikörperproblem zu erhalten, sind vielmehr auf einen
Vorschlag bereits von Gyldén hin von Thiele, Darwin und Srömgreen planmäßig zahlreiche
Einzelfälle des sog. problème restreint, bei dem eine der drei Massen als verschwindend klein angesehen wird,
durch numerische Integration untersucht worden.
Von den allgemeiner bekannten Planetenstörungen — am bekanntesten sind die rechnerische Entdeckung
des Planeten Neptun aus den Störungen der Uranusbewegung durch Leverrier im Jahre 1846 und die
Entdeckung des transneptunischen, von P i c k e r i n g und L o w c 11 mit allerdings sehr verschiedenen Bahn
elementen aus den Störungen der Neptunbewegung vermuteten Planeten Pluto im Jahre 1930 — unterscheiden
sich die Störungen der Mondbewegung dadurch, daß hier die Sonne als störender Körper wirkt. Dies bedingt
andere Entwicklungen als bei den Planeten. Die Bewegung des Mondes ist deshalb von jeher der Gegenstand
zahlreicher besonderer Untersuchungen gewesen, von denen hier nur einige genannt werden mögen.
Hansen hat 1838 eine Untersuchung „Fundamenta nova investigationis orbitac verae, quam Luna
perlustrat“ veröffentlicht und danach 1857 seine in London auf Kosten der englichen Regierung erschienenen
„Tables de la Lune, construites d’après le principe Newtonien de la gravitation universelle“ “) herausgegeben,
die 1878 von N e w c o m b verbessert wurden. Diese Tafeln waren bereits bemerkenswert genau und sind bis
1922 für die Ephemeridenberechnungen im Nautical Almanac im Gebrauch geblieben. Hansen hat die
Koeffizienten seiner Entwicklung von vornherein zahlenmäßig für das gegebene System Sonne — Erde —
Mond berechnet. Im Gegensatz dazu hat Delaunay 1860 bis 1867 in seiner „Théorie du mouvement de la
Lune" ganz allgemein und auch mit anderer Wahl der Bezugsgrößen als Hansen die durch die Sonne
gestörte Bewegung eines Mondes um einen Planeten untersucht, so daß alle Koeffizienten seiner Entwicklung
durch allgemeine Zeichen ausgedrückt sind. N e w c o m b und Maier haben Hansens Entwicklung auf
die von Delaunay zurückgeführt und mit dieser vergleichbar gemacht. Von Radau wurden auf Grund
der Theorie von Delaunay, jedoch mit einigen Änderungen, Tafeln berechnet und 1911 herausgegeben,
nach denen die Mondephemeriden in der „Connaissance des Temps“ des Pariser Bureau des Longitudes an
gefertigt sind. Einen neuen Entwicklungsabschnitt veranlaßten die Arbeiten von Hill ‘ 5 ), der auch einen
Grundgedanken der Eulerschen „Theoria motuum Lunae nova methodo pertractata“, nämlidi die Ver
wendung eines sich drehenden rechtwinkligen Koordinatensystems, in neuer Form wiederaufnahm. An diese
nicht zum Abschluß gebrachten Arbeiten von Hill hat dann Brown in seiner von 1897 bis 1908 erschie
nenen „Theory of the motion of the Moon“ 13 ), die weder völlig allgemein noch rein zahlenmäßig durch
geführt ist, angeknüpft und die Koeffizienten einer sehr weit geführten Entwicklung berechnet, auf der seine
1909 herausgegebenen „Tables of the motion of the Moon“ beruhen. Diese bilden die Grundlage der heutigen
Mondephemeriden im Nautical Almanac, von denen wiederum die des Berliner Astronomischen Jahrbuchs und
des Nautischen Jahrbuchs abgeleitet sind. Vollständig werden die Beobachtungen allerdings auch durch die
Theorie von Brown noch nicht dargestellt. Trotz verschiedener neuerer Arbeiten werden jedoch die Ephe
meriden mit Ausnahme der Finsternisvorausberechnungen, bei denen erfahrungsmäßige Verbesserungen an
gewandt werden, weiter nach den Tafeln von Brown berechnet, weil die Fehler nur gering sind und ein
späterer Vergleich der Vorausberechnungen mit den Beobachtungen nicht durch wechselnde Verbesserungen an
den Vorausberechnungen erschwert werden soll.
Auf eine Darstellung der verschiedenen im Falle des Mondes angewandten Verfahren zur Störungsberech
nung muß hier verzichtet werden 14 ) . Es sei nur noch auf die ohne weiteres anschauliche Tatsache hingewiesen,
daß als störende Kraft z. B. der Sonne auf die Mondbewegung um die Erde nicht die gesamte Anziehungskraft
der Sonne auf den Mond, sondern nur der Unterschied der auf die Erde und auf den Mond ausgeübten Kräfte