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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 61. Band, Nr. 7
In den Höhengleichendiagrammen der Bände 30°, 20°, 70° N ist der Nordstern auf diese Weise
enthalten; bei den Bänden 60°, 50°, 40° N konnte der Nordstern nicht mehr aufgenommen werden, weil
diese Blätter sdion fertig Vorlagen, als die Nordsternskala eingeführt wurde und bei der Mittelbreite 10°
ist vom Nordstern wegen seiner geringen Höhe abgesehen.
9. Nachweis der Geradlinigkeit der Nordsternhöhengleichen für eine
halbe Stunde Sternzeit.
Zur Untersuchung der Krümmung der Nordsternhöhenglcichen kann man mit Vorteil die be
kannte Reihenentwicklung für die Bestimmung der Breite aus einer Nordsternhöhe anwenden:
y - 90° — z — p cos t 4- Väp 2 sin 1” tg tp sin 2 t + ...
oder z = 90° — <p — p cos t + V2P 2 sin 1" tg t sin 2 t + ...
wobei p = 90° — S den Polabstand des Nordsterns in Bogensekunden bedeutet.
Rechnet man nach dieser Formel für die Ränder eines Blattes, also z. B. für t = 0 1 ' 0 m , 0 h 30 m , ... die
Zenitdistanzen des Nordsternes, so gibt das arithmetische Mittel zweier aufeinanderfolgender Werte die
Zenitdistanz für die Mitte jedes Blattes, also für t = 0 h 15 m , .. . auf der geradlinigen Verbindung der
beiden Randpunkte. Vergleicht man diesen Wert mit dem streng nach obiger Reihe für t = 0 h 15 m , ...
berechneten Werte, so gibt die Differenz beider die Abweichung der angenommenen geradlinigen Höhen
gleiche gegenüber der wirklichen Höhengleiche des Nordsternes.
Man erkennt aus der Formel, daß die Abhängigkeit von der Breite wegen des kleinen Faktors von
tg <p gering ist; es genügt also, die „Krümmung“ nur für einige Breiten zu untersudien. Führt man die
Rechnung für die Breiten 15°, 45°, 75° und für die Stundcnwinkel 0 h 0 m , 0 h 30 m ; 3 h 0 m , 3 h 30 m ; 6 h 0 m , 6 h 30 111 ,
sowie für die Mitten 0 h 15 m , 3 h 15 m , 6 h 15 m aus, so ergeben sich die in Tabelle 4 (S. 21) zusammengestellten
Werte, wenn der Ort des Nordsternes für 1941.0 zugrunde gelegt wird.
Die größte vorkommende Abweichung („Krümmung“) der geradlinig angenommenen Nord
sternhöhengleichen gegenüber den wirklichen beträgt hiernach in einem halbstündigen Zeitintervall 8".4;
sie kann für nautische Zwecke immer vernachlässigt werden.
10. Verwendung des Nordsternes in späteren Jahren.
Auch die Verwendung des Nordsternes in späteren Jahren ist möglich durch die rückwärtige Über
tragung der beobachteten Höhen auf 1941.0. Dies sdieint zunächst kompliziert, weil die jährlidie Zu
nahme Aa nicht konstant bleibt. Man kann jedoch die Formel für die jährliche Verschiebung der Nord
sternhöhen vereinfachen. Der darin vorkommende parallaktische Winkel q ist gegeben durch:
sin t
tg q = :—;
tg <p cos o — sin o cos t
Da hier nun 3 ^ 89° ist, wird cos 3 sehr klein und sin S sehr nahe 1, so daß — außer in ganz hohen
Breiten — das 1. Glied im Nenner vernachlässigt werden kann; dann wird:
tg q = — tg t
q = 180° — t
Die Formel für Ah = — Az lautet jetzt für die Übertragung rückwärts auf 1941.0 (s. Nr. 5):
Ah = + cos t AS — sin t cos S At
D. h., Ah ist praktisch unabhängig von der geographischen Breite und die einmal berechnete jährliche
Verschiebung des Nordsterns gilt für alle Breiten. Man überzeugt sidi leicht, daß cos S At nahezu kon
stant bleibt, wenigstens für einige Jahrzehnte; infolgedessen ändert sich audr Ah von Jahr zu Jahr nahezu
gleichförmig, und es ist möglich, die einmal berechneten Werte Ah für längere Zeit zu gebrauchen. Die
in Tafel 3 der Höhengleichendiagramme gegebenen Werte Ah für den Nordstern waren zunächst nur für
die Zeit von 1941.0 bis 1951.0 gedacht, die obigen Überlegungen erlauben es aber, die Werte erheblich
länger zu gebrauchen, wenigstens bis zum Jahre 1975. Rechnet man mit den strengen Nordstern
koordinaten" die Flöhen für 1975.0, bringt 34 Ah (nach Tafel 3, s. Figur 3b) an und vergleicht dann mit
den streng gerechneten Höhen für 1941.0, so erreicht der Fehler maximal 0 .9, wie die folgende Übersicht
der Tabelle 5 auf S. 21 für die Breiten 10° N und 75° N zeigt (die Refraktion ist nicht berücksichtigt):
* Diese kann man z. B. entnehmen aus: B. Boss, General Cat. Bd. I, Appendix I.