Erwin Prager: Der Einfluß einer Flachküste auf Wind und Niederschlagsfeld
5
I. Zielsetzung und Methodik
Es ist eine Erfahrung, die sich jedem aufmerksamen Beobachter und, bewußt oder unbewußt,
auch jedem Küstenbewohner aufdrängt, daß das Witterungsbild über See und über Land oft grund
verschieden ist. Zuweilen stehen Schauer über Land, während es über See klar ist, oder es stehen
Schauersäulen über See, während über Land die Sonne scheint. Oft sieht man bei klarem Wetter
und auflandigem Wind Ketten von locker aneinander gereihten Cumuli über der Küstenlinie
stehen, die nicht mit dem Winde weiterziehen. Dann wieder schneidet ein Flußlauf sein Bild in ein
über dem Lande liegendes Wolkenfeld, oder er zeichnet hei klarem Wetter seinen Lauf durch eine
Wolkendecke an den Himmel. Immer ist es der Gegensatz Land-Wasser, der zu diesen Erscheinungen
führt. Zu untersuchen, nach welchen Grundregeln das geschieht, ist das Ziel dieser Arbeit. Die
Arbeit ist nicht theoretisch, es sollen nicht den vorhandenen Formeln 8 ) 11 ) über Reibung neue Kor
rekturen angefügt werden, es soll vielmehr anhand einiger Wetterelemente untersucht werden, wie
sich der Küstenstrich im Wettergeschehen bemerkbar macht. So ist diese Arbeit im wesentlichen
klimatologisch. Sie stützt sich auf eine eingehende Bearbeitung der Wind- und Niederschlags
verhältnisse, sowie in wesentlich geringerem Umfang auf die der Bewölkung.
Der Einfluß der Küste kann zweifach sein, einmal der Reibungseinfluß durch das Übertreten
einer Strömung von einer Unterlage mit geringer Reibung (See) auf eine Unterlage höherer
Rauhigkeit (Land) und umgekehrt, zweitens kann er thermisch sein, hervorgerufen durch den stets
verschiedenen Temperaturzustand von Land und Wasser: Im Sommer ist das Land warm und das
Wasser kühl, im Winter das Wasser verhältnismäßig warm und das Land kühl. Daß diese thermische
Wirkung im Großen gesehen von Bedeutung ist, unterlag auch schon vor der Diskussion über den
europäischen Monsun keinem Zweifel. Hier handelt es sich aber nicht um eine klimatologische Be
trachtung über große Räume. Hier ist eine verhältnismäßig große Anzahl Wetterlagen ausgesondert
worden, die sich alle dadurch auszeichnen, daß sie über dem zu betrachtenden Gebiet möglichst
geradlinige, durch Konvergenzen und Divergenzen nicht gestörte Isobaren zeigen und damit eine
möglichst einheitliche Strömung. Das in dieser Strömung liegende Stück Küstenlinie wird darauf
hin untersucht, wie es sich als einzige Störung, die das verarbeitete Material enthält, im Nieder
schlag, im Wind und in der Bewölkung auswirkt. Es ist dabei von vornherein zu bemerken, daß die
Niederschlagshäufigkeit von diesen dreien das beste und sicherste Merkmal ist 15 ), nicht weil es so
viel besser registriert wird als der Wind, sondern, weil der Wind mehr den örtlichen Störungen
unterworfen ist. Der Wind in 20 m Höhe ist anders als in 5 m, aber wenn es in 20 m Höhe regnet,
regnet es in 5 m Höhe auch. Der Wind, der gegen einen Hügel strömt, wird je nach Form desselben,
und je nach den Eigenschaften der Luft darüber hinweg- oder herumströmen. Jedesmal sind Strö
mungsrichtung und Strömungsgeschwindigkeit andere. Die Niederschlagshäufigkeit dagegen ist ört
lich weniger beeinflußt und von geringen Höhenunterschieden weniger abhängig. Darüber, ob es
an einem Tag geregnet hat oder nicht, wird ein Beobachter selten im Zweifel sein, während der
Wind als Augenblicksbeobachtung schwerer zu bestimmen ist. Es geht auch, abgesehen von allen
anderen Erschwerungen leicht ein beträchtlicher persönlicher Fehler ein.
Besonders schwierig ist die Behandlung der Bewölkung. Diese Beobachtungen sind, verglichen
mit denen von Wind und Niederschlag, nach Quantität und nach Qualität verhältnismäßig am unzu
länglichsten. Im bearbeiteten Material fehlten sie oft ganz und mußten aus den Beobachtungen des
Witterungszustandes erschlossen werden. Hinzu kommt, daß die Stationen des Sturmwarnungs
netzes der Deutschen Seewarte die Bedeckung in Vierteln angeben, während die Übrigen Zehntel
melden. Es mußte also umgerechnet werden, um das Mitteln zu ermöglichen. Zudem ist hier auch