Helmuth Geißler: Die deutschen Hochseepegel.
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Ablesefehler mit ein, der bei einwandfreien Bildpunkten der Röhre und Basis mit ± 0.1 mm
zu veranschlagen ist. Dem entspricht im ersten Falle ein Fehler von ± 0.26 g/cm 2 , im zweiten
ein solcher von ± 0.59 g/cm 2 . Läßt sich also der Fehler der Röhre auch von den übrigen Fehlern
nicht sondern, so scheint er doch mit der Beanspruchungsamplitude zu wachsen, denn zum
ersten Fall gehört eine Amplitude von 310 g/cm 2 , zum zweiten eine von 601 g/cm 2 . Daß die
Empfindlichkeit der Röhre, d. h. also der ganzen Ubertragungseinrichtung mit wachsender Eich
amplitude, oder, was gleichbedeutend ist, mit wachsender Beanspruchung abnimmt, leuchtet
ohne weiteres ein.
Der Fehler der Röhre wird zusammen mit den anderen oben aufgezählten Fehlern bei der
Eichung selber dadurch eliminiert, daß das Ziehen der Eichkurve in der geschilderten Weise
durch die mit einer gewissen Streuung gelagerten Eichpunkte hindurch eine Mittelbildung dar
stellt. In die während der Auslegung gewonnenen Pegelaufzeichnungen geht der Röhrenfehler
natürlich ein, ist aber bei den in Frage kommenden Amplituden kleiner als ± 0.5 g/cm 2 zu ver
anschlagen.
Weiter oben wurde darauf hingewiesen, daß zwischen zwei Eichungen gleichen Pegelmaß
stabs, die zu verschiedenen Zeiten durchgeführt sind, auch dann kleine Unterschiede auftreten,
wenn in der Zwischenzeit keinerlei Veränderungen an den Einstellungen des Pegels vorgenom
men wurden. Diese Unterschiede können durch Temperaturdifferenzen zwischen den beiden
Eichtagen und durch mechanische Veränderungen in der Montierung der Röhre und der Optik
erklärt werden, wie sie z. B. beim Transport der Pegel auf Lastkraftwagen leicht eintreten
können. Vergegenwärtigt man sich den Übertragungsmechanismus zwischen den Formänderun
gen der Röhre und dem photographischen Pegelpapier, so erkennt man die Möglichkeit von
Veränderungen ohne weiteres an. Die Form der Eichkurve hängt außer von den Formänderun
gen der Bourdonröhre davon ab, daß auf eine ebene Fläche projiziert wird und nicht auf
eine Zylinderfläche, deren Achse durch den projizierten Spiegel Sp geht (vgl. Fig. 2), und
schließlich auch davon, daß der Stift S der Bourdonröhre die Hebelfläche P, welche die Ver
schiebung der Röhre in eine Drehung des projizierenden Spiegels umsetzt, unter verschiedenen
Winkeln und Entfernungen von der Drehachse trifft.
Hat sich nun — etwa durch Erschütterungen — die Stellung des Spiegels Sp bei der Null
lage der Röhre verändert, so daß der reflektierte Strahl das Papier nicht mehr in der Mitte,
sondern z. B. um 1 cm tiefer unten trifft, so bedeutet das keineswegs im Vergleich mit einer
vorangegangenen Eichung bei normaler Spiegelstellung nur eine Verkleinerung aller Basis
abstände um 1 cm, sondern eine neue Eichung würde außerdem eine Formänderung der Eich
kurve ergeben. Mit der obenerwähnten theoretischen Eichung wurde eine zweite solche ver
glichen, bei der in der Nullage der Röhre der reflektierte Strahl das Papier 4 cm unterhalb der
normalen Höhe trifft. Es ergibt sich, daß bei einer Wasserstandsänderung von 2.5 m ein Fehler
von 10 cm durch die Formänderung der Kurve auftreten kann. Wenn die Verschiebung von
4 cm auch einen in der Praxis nidit vorkommenden ganz extremen Beispielsfall darstellt, so
zeigt dieser doch zahlenmäßig das Vorhandensein einer Fehlerquelle. Stellt sich also nach
Messungsschluß bei einem Pegel eine Verschiebung der Nullage heraus, so ist demnach die
Schlußeichung mit dieser Nullage auszuführen.
In der Regel wird aber kein eindeutiger Anhaltspunkt dafür vorhanden sein, ob die Ver
schiebung der Nullage vor oder nach der Messungsperiode stattgefunden hat. In solchen Fällen
kann man eine Mittelkurve zwischen Anfangs- und Schlußeichung als Eichkurve verwenden.
In erster Linie ist die Bewegung, die die Anfangskurve in die Schlußkurve überführt, eine
Parallelverschiebung; die Formänderung ist untergeordneter Art. Die Eichkurven sind nun
nahezu gerade Linien. Bei solchen würde eine Parallelverschiebung für jeden Basisabstand
den gleichen Druckfehler, also den gleichen Fehler für W N ergeben. Folglich spielt bei der Mittel
kurve die stattgehabte Parallelverschiebung keine Rolle, und nur das Ausgleichen der Form
unterschiede zwischen der Anfangs- und der Schlußkurve tritt für die Untersuchung der Fehler
in Erscheinung.