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Full text: 61, 1941

Gerhard Neumann: Eigenschwingungen der Ostsee 
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In Abb. 25 sind die Wasserstandskurven von Tallinn und Helsinki für vier Schwingungsfällc dargestellt. 
Wenn wir die Wasserstandskurven beider Stationen miteinander vergleichen, dann finden wir tatsächlich die 
theoretisch geforderte Phasenverschiebung angedeutet. In Tallinn werden die Extremwerte stets früher erreicht 
als auf der anderen Seite des Finnischen Meerbusens in' Helsinki und zwar beträgt die Phasenverschiebung im 
Durchschnitt 2 bis 3 Stunden. So lassen sich also durch die ablenkende Kraft der Erdrotation die kleinen 
Phasendifferenzen erklären, die bei den Schwingungskurven einzelner gegenüberliegender Stationen beob 
achtet werden. 
Den Einfluß der Erdrotation auf die Eigenschwingungen eines rechteckigen Wasserbeckens hat 
G. I. Taylor 1 ) in der bekannten Arbeit über die Reflexion einer Gezeitenwelle am Ende eines geschlossenen 
Kanals näher behandelt. Die etwas schwierigen Ableitungen führen zum Ergebnis, daß der Einfluß der Erd 
rotation sich bei diesen Eigenschwingungen einmal in einer Verlängerung der Periode äußert, andererseits 
darin, daß die einfache Schaukelbewegung sich in eine Drehwelle in der Richtung der Erdrotation umwandelt. 
Um den Einfluß in jedem einzelnen Fall zahlenmäßig zu erfassen, sind recht langwierige Rechnungen not 
wendig. G. I. Taylor hat nur einen Fall etwas eingehender zahlenmäßig erfaßt. Er gilt für ein Becken, das 
zweimal so lang als breit ist und in dem die längste freie Periode des Beckens mit der Rotationsperiode des 
selben übereinstimmt. Die letztere ist in der Breite (p bei der Erdrotation « sin <p. Taylor findet, daß 
unter diesen Umständen, wenn ff die Frequenz der Eigenschwingung bei Einfluß der Erdrotation bedeutet, 
= 0.429 
2 co sin cp 
wird. Bezeichnet man die Periode der Trägheitsschwingungen in der Breite <p mit 
sin rp 
dann erhält man daraus auch die Beziehung 
0.429 ‘ 
Da in der Breite der Ostsee die Periode der Trägheitsschwingungen rund 14 Stunden ist, erhält man aus 
obigem, daß bei einer Eigenschwingung eines doppelt so langen wie breiten Beckens von 28 Stunden ohne 
Berücksichtigung der Erdrotation diese Periode bei Rotation im Verhältnis 0,50 zu 0,429 = 1,14 verlängert 
wird. Das würde also eine Verlängerung der Eigenperiode um 14 % bedeuten. Dieser Betrag hängt aber stark 
vom Verhältnis der Länge zur Breite des rotierenden Wasserbeckens ab und nimmt höchstwahrscheinlich rasch 
ab, wenn das Verhältnis Breite zu Länge kleiner wird. Da bei der Ostsee dieses Verhältnis im Mittel etwa 
1 : 9 ist, wird der Einfluß der Erdrotation auf die Eigenschwingungen des Ostseebeckens wohl weit unter dem 
oben angegebenen Betrag liegen. Es bleibt aber immer noch die Umwandlung der Schaukelbewegung in eine 
Drehwelle übrig. 
Wegen der geringen Breite der Ostsee und der verhältnismäßig kleinen Strömungsgeschwindigkeiten in 
der Längsrichtung sind die durch die ablenkende Kraft der Erdrotation erzwungenen Querschwingungen aber 
nur gering und auch die durch Überlagerung mit den Längsschwingungen erzeugten Drehwellen sind nur schwach 
ausgebildet. In der Mitte des Schwingungsbeckens bei der Knotenlinie der Longitudinalschwingung sind die 
horizontalen Stromgeschwindigkeiten wegen der starken Verbreiterung und Vertiefung der Ostsee sehr viel 
kleiner. Die Amplituden der Querschwingung sind an dieser Stelle zu gering, um eine deutliche Drehwelle 
in Erscheinung treten zu lassen. Der Einfluß der ablenkenden Kraft der Erdrotation kommt im Ostseebecken 
nicht voll zur Geltung, und wir können, ohne einen merklichen Fehler zu begehen, die Eigenschwingungen 
der Ostsee als lineare stehende Wellen ansehen. 
*) G. I. Taylor: Tidal Oscillations in Gulfs and rectangular Basins, Proc. of the London Math. Soc., Ser. 2, Vol. 
20, Parts 2 and 3.
	        
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