Gerhard Neumann: Eigenschwingungen der Ostsee
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38,8 Stunden; bei einem ungehinderten Durchschwingen bis zum
Kleinen Belt erhöht sich die Periode auf 39,7 Stunden. Die Perioden
der einknotigen Eigenschwingung des Systems Ostsee — Bottnischer
— Finnischer Meerbusen ändern sich also bei einer Verlängerung des
Schwingungsbeckens nach Westen nur wenig. Ungehindert, d. h.
unbeeinflußt von der Reibung in den Querschnittsverengungen,
wird aber auch diese Schwingung nicht bis zum Kleinen Belt durch
dringen. Die mittlere Periode der einknotigen Eigenschwingung im
System Ostsee — Bottnischer — Finnischer Meerbusen beträgt f =
39,2 + 0,4 Stunden.
Die am Anfang dieses Kapitels gestellte Frage, ob an irgendeiner
Querschnittsverengung in der Beltsee das Ostseebecken bei den
Eigenschwingungen als vollständig geschlossen betrachtet
werden kann, muß verneint werden. Die zweite Frage, ob die Ein
engung bei der Darsser Schwelle ausreicht, eine direkte Beteiligung
der Mecklenburger Bucht am Schwingungsvorgang der Ostsee zu
verhindern, kann dagegen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit be
jaht werden. Für die Ausbildung stehender Wellen in der Ostsee
kommt wohl hauptsächlich nur das Becken östlich der Darsser
Schwelle in Betracht. Doch muß als sicher angenommen werden,
daß bei jeder Schwingung größere Energicbeträge an die Beltsee ab
gegeben werden und somit der Schwingungsenergie im Ostseebecken
verloren gehen. Dies erklärt auch die auffallend große Dämpfung
der freien Schwingungen in der Ostsee, worauf wir gleidi zurück
kommen werden. Wie die Wasserbewegungen in der Beltsee bei den
Eigenschwingungen des Ostseebeckens nun im einzelnen vor sich
gehen und was mit der Energie geschieht, die bei der Schwingung
ohne Zweifel in die Mecklenburger und Kieler Bucht übergeht, dar
über läßt sich auf Grund der vorhandenen Beobachtungen nichts
aussagen. Unsere Annahme, daß die Wasserstandsschwankungen in
der Mecklenburger und Kieler Bucht durch ein einfaches Voll- und
Leerlaufen dieser Becken Zustandekommen, stützt sich auf die beob
achtete Konstanz der Amplituden westlich der Darsser Schwelle.
Von besonders großem Wert für die Beantwortung aller dieser
Fragen wären Strommessungen in verschiedenen Tiefen auf der
Darsser Schwelle und im Fehmarn Belt im Zusammenhang mit den
Eigenschwingungen der Ostsee. Auch Versuche an einem geeigneten
Beckenmodell könnten zu einer Klärung dieser Fragen führen.
Abb. 24: Die durch die Querschnitte 4,
3, IV, III, II, I und 0* hindurch-
gesdtobene Wassermenge q als Funk
tion der Periode T (Sdrwingungssystem
Ostsee — Bottnischer Meerbusen).
Bemerkenswert ist die starke Dämpfung der Eigenschwingungen. Durch die Wirkung dissipativer
Kräfte, insbesondere innerer und äußerer Reibungskräfte, nimmt die Amplitude der Schwingung mehr und
mehr ab, bis die Bewegung schließlich ganz erlischt. Bei kleinen Schwingungen erfolgt die Abnahme der
Amplituden in einer geometrischen Reihe. Eine gedämpfte Schwingung läßt sich darstellen durch
_«t 2 n
x = x o • e pi cos y b
Ist x n der n-te Umkehrpunkt auf der positiven Seite, der also zur Zeit n • T erreicht wird, dann läßt sich
leicht zeigen, daß