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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums, 61. Band, Nr. 4
Da die Abgrenzung der Ostsee nach Westen morphologisch nicht eindeutig bestimmt ist, soll noch eine
andere Möglichkeit der Ausdehnung des an der Schwingung beteiligten Beckens in Betracht gezogen werden.
Wir begrenzen jetzt das Schwingungssystem Ostsee — Finnischer Meerbusen im Westen durch die Linie Aarö
— Assens im Kleinen Belt und betrachten die Kieler Bucht gegen den Großen Belt durch die Linie Langeland —
Albuen (Laaland) in 54 0 50' N als abgeschlossen. Die Lage der neu hinzugekommenen Querschnitte I bis V
geht aus Abb. 18 hervor.
Für dieses Becken wurden nach der Defantsehen Restmethode die Periodendauern und Hubhöhen der
ein- und zweiknotigen Schwingung ermittelt. Das Ergebnis ist folgendes:
Tl i 28,0 28,75 29,5 Stunden
Einknotige Schwingung
q I —2169 —1213 —93 10~ 3 km 3
Die theoretische Periode der" einknotigen Schwingung zwischen dem Kleinen Belt und Leningrad beträgt
29,5 Stunden. In der Hubhöhenverteilung und der Stärke der horizontalen Wasserversetzung sind
gegenüber der Schwingung Lübeck — Leningrad wesentliche Unterschiede festzustellen (s. Tabelle 7 a). Die
Knotenlinie liegt jetzt zwischen den Querschnitten 21 und 23, also südlich von Gotland, und die Hubhöhen
wachsen von der Darsser Schwelle nach Westen sehr stark an und erreichen im Kleinen Belt doppelt so große
Beträge wie am Ende des Finnischen Meerbusens. Bemerkenswert sind die starken Horizontalversetzungen im
westlichen Teil des Schwingungsbeckens.
Für die theoretische Periode der zweiknotigen Schwingung zwischen dem Kleinen Belt und Leningrad er
gibt sich Ta — 24,3Stunden.
T 2 ! 22,0 23,5 24,2 24,5 Stunden
Zweiknotige Schwingung
q j +4953 +1530 +218 —383 10~ 3 km 3
Die Verteilung der Hubhöhen und. die Stärke der Horizontalversetzung (für T 2 = 24,2 Stunden) ist aus
Tabelle 7 b zu ersehen. Die Knotenlinien haben sich gegenüber der zweiknotigen Schwingung zwischen Lübeck
und Leningrad nach Westen verschoben; sie liegen jetzt auf der Linie Rügen — Falsterborev und vor der Mün
dung des Finnischen Meerbusens bei Querschnitt 37. Die Amplituden im mittleren Teil der Ostsee sind noch
kleiner als bei der Schwingung zwischen Lübeck und Leningrad; sie betragen nur etwa */* der Amplitude am
Ende des Finnischen Meerbusens und etwa + 3er in der Beltsee.
Die Ausdehnung des Schwingungsbeckens Ostsee—Finnischer Meerbusen nach Westen bis zum Kleinen Belt
bewirkt also bei der einknotigen Schwingung eine Verlängerung der Periode um 2 Stunden und bei der zwei
knotigen Schwingung sogar um 5 Stunden. Wir wollen vorläufig noch nicht näher auf die Frage eingehen, ob
eine Eigenschwingung der Wassermasse zwischen Assens und Leningrad überhaupt ungehindert Zustande
kommen kann. Unsere Aufgabe war es, zunächst einmal festzustellen, welches Bild sich theoretisch für den
Ablauf des ganzen Schwingungsvorganges ergibt, und mit welchen Periodendauern, Hubhöhen und horizontalen
Wasserversetzungen wir zu rechnen haben, wenn die freie Schwingung ungehindert bis zum Kleinen Belt Vor
dringen würde. Auf die Frage der Abgrenzung des Schwingungsbeckens im Westen werden wir später noch
ausführlich eingehen müssen. Es kann aber schon jetzt bemerkt werden, daß eine Ausdehnung des an der
Schwingung direkt beteiligten Beckens bis zum Kleinen Belt sehr unwahrscheinlich erscheint. Schließlich wäre
noch an eine Begrenzung des Schwingungsbeckens bei der Darsser Schwelle zu denken. Die Darsser Schwelle,
die das Arkonabecken gegen die Beltsee abriegelt, stellt die erste starke Einengung des Ostseebeckens im Westen
dar. Mit der Einengung des Ostseebeckens bei der Darsser Schwelle werden wir uns noch eingehend beschäftigen
müssen, wenn wir die Frage der Abgrenzung des Schwingungsbeckens im Westen behandeln.
Als zweites Schwingungsbecken betrachten wir das System Ostsee — Finnischer Meerbusen — Bottnischer
Meerbusen mit einer Verzweigung des Talweges westnordwestlich von Dagö. Die Lage der Querschnitte geht
aus Abb. 18 hervor, und die Ausmessungsergebnisse der neu hinzugekommenen Teile des Beckens sind in
Tabelle 4 enthalten. Die Querschnitte 33 a, 34 a und 35 a gehören noch zur Ostsee, der Querschnitt 38 sei der
Mündungsquerschnitt des Finnischen Meerbusens und der Querschnitt 37 a der südlichste des Bottnischen Meer
busens. Der mittlere Abstand der Schnitte im Bottnischen Meerbusen beträgt ebenso wie der in der Ostsee und
im Finnischen Meerbusen 15 sm.