Gerhard Neumann: Eigenschwingungen der Ostsee
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An Hand der vorangegangenen Beispiele konnte gezeigt werden, daß die Eigenschwingungen des Ostsee
beckens eindeutig in den Pegelregistrierungen nachzuweisen sind. Am häufigsten wird die ein
knotige Schwingung des Systems Ostsee — Finnischer Meerbusen beobachtet.
Bemerkenswert sind die großen Amplituden, die bei dieser Schwingung auftreten können. Bei der Entstehung
der Hochwasser, besonders im Finnischen Meerbusen, kann diese Schwingung von großer Bedeutung sein.
18. 19. 20. 21. 22 Okt 1935
l2 h 0 b Q n O'* 0”
Koivisto
Ha mi na
Helsinki
Hangö
Landsort
Ystad
Abb. 12: Wasserstand vom 18. Ok
tober 1935 12 Uhr bis 22. Oktober
1935 0 Uhr (Höhenmaßstab 1: 20).
Die einknotige Schwingung im System Ostsee—Bottnischer Meer
busen wird seltener beobachtet. Durch die starke Einengung bei den
Aalandsinseln wird das Schwingungsbecken in zwei unsymmetrische
Abschnitte geteilt, und die Schwingungen, die eine Periode von etwa
40 Stunden haben, werden wegen der starken Dämpfung zu raschem
Abklingen gebracht. Nur bei besonders günstigen meteorologischen
Verhältnissen, hauptsächlich wenn die Schwingungen durch nach
folgende Impulse immer von neuem verstärkt werden, können zu
sammenhängende Schwingungsreihen mit einem Knoten im süd
lichen Aalandsmeer beobachtet werden, wie an obigem Beispiel
gezeigt werden konnte. Ein ähnlicher Schwingungsfall, auf dessen
Darstellung hier aber verzichtet werden kann, konnte vom
31. Januar bis 6. Februar 1934 beobachtet werden.
Die zweiknotige Schwingung im System Ostsee — Finnischer
Meerbusen tritt mit kleineren Amplituden auf und bricht in den
wenigen Fällen, in denen sie ohne Grundschwingung beobachtet
werden konnte, schon nach ein bis zwei Schwingungen ab. Das
Ostseebecken scheint für die Ausbildung dieser Schwingung sehr
ungeeignet zu sein. Die Wasserstandskurven in Abb. 12 für die Zeit
vom 18. Oktober bis 22. Oktober 1935 enthalten anscheinend eine
zweiknotige Schwingung des Systems Ostsee — Finnischer Meer
busen. Vom 19. bis zum 20. Oktober werden in Koivisto drei
Maxima und zwei Minima beobachtet, mit einer Periode von etwa
18 Stunden. Bis Helsinki sind im Finnischen Meerbusen die
Wasserstandsschwankungen in Phase, in Hangö und Landsort sind
sie invers, doch in Ystad haben die Schwingungen wieder die gleiche
Phase wie im Finnischen Meerbusen. Am 21. Oktober bricht die
Schwingung plötzlich ab. Auch bei den Wasserstandsschwankungen
vom 30. November bis 1. Dezember 1936 scheint es sich um eine
zweiknotige Schwingung zu handeln (Abb. 1, Anhangs-Tafel).
Eine Analyse der Wasserstandskurven ist wegen der starken Dämpfung, der sehr ver
änderlichen Amplituden und der kurzen Dauer der Schwingungsserien sehr erschwert. Die meisten Methoden,
die im allgemeinen bei der Analyse von Seiches-Kurven angewendet werden, versagen in unserem Falle. Bei der
Analyse einiger Wasserstandskurven kam folgende Methode zur Anwendung:
1. Subtraktion paralleler Reihen von Schwingungskurven und
2. Addition paralleler Reihen.
In den Subtraktionskurven (Differenzkurven) treten Schwingungen mit entgegengesetzter Phase
verstärkt hervor, während Schwingungen gleicher Phase geschwächt oder ausgetilgt werden.
In den Additionskurven (Summenkurven) werden Schwingungen bei entgegengesetzter Phase ge
schwächt oder getilgt und bei gleicher Phase verstärkt.
Bilden wir die Differenz- und Summenkurven für Ystad und Koivisto, dann zeigt sidi erneut, daß die
einknotige Schwingung im System Ostsee — Finnischer Meerbusen den Hauptanteil an den periodischen Wasser
standsschwankungen hat. Die zweiknotige Schwingung ist auch als Oberschwingung zusammen mit der
einknotigen Grundschwingung verhältnismäßig selten zu beobachten und weist eine sehr geringe Persistenz
auf. Die Reihen brechen sehr plötzlich ab und neue Reihen setzen mit Phasensprung ein. Die Perioden sind
weniger konstant als die der einknotigen Schwingung.