Skip to main content

Full text: 61, 1941

Gerhard Neumann: Eigenschwingungen der Ostsee 
0 
EINLEITUNG. 
In jeder ganz oder teilweise abgeschlossenen Wassermasse treten Schwingungen mit bestimmter Periode 
auf, die man als freie Schwingungen, Eigenschwingungen oder vielfach als Seiches bezeichnet. Solche Schwin 
gungen werden durch einen einmaligen Impuls erregt und würden unabhängig von der Einwirkung äußerer 
Kräfte weiterbestehen, wenn nicht durch dissipative Kräfte die Bewegung allmählich erlöschen würde. Die 
Bewegung der Wassermasse entspricht der einer stehenden Welle. An den Enden des schwingenden Beckens 
sind die vertikalen Wasserverschiebungen am größten, die horizontalen dagegen Null. Die langsamste Schwingung, 
die in der Mitte des Schwingungsbeckens eine Knotenlinie und an den Enden Schwingungsbäuche hat, bezeichnet 
man als die einknotige Eigenschwingung des Systems. Neben dieser einknotigen oder Grundschwingung können, 
auch mehrknotige Schwingungen — Oberschwingungen — auftreten. Die Periode dieser Schwingungen hängt von 
der Länge und den Tiefenverhältnissen des Seebeckens ab. In flachen Binnenmeeren und in Meercsteilen, in 
denen die Länge des schwingenden Wasserbeckens erheblich größer ist als die Tiefe, kann die Schwingungsdauer 
bis zur Größe eines Tages anwachsen. So wird auch die langgestreckte und verhältnismäßig flache Ostsee auf 
bestimmte Schwingungsdauern abgestimmt sein und Eigenschwingungen ausführen, über deren Periode, Hub 
höhenverteilung, Häufigkeit des Auftretens usw. aber noch wenig bekannt ist. Seit W i 11 i n g s (38) Unter 
suchungen über die Gezeiten der Ostsee wurde nicht mehr der Versuch gemacht, die Schwingungseigenschaften 
dieses Meeresteils theoretisch oder durch Analyse der Mareographenaufzeichnungen zu ermitteln. Den damaligen 
theoretischen Grundlagen entsprechend hat W i 11 i n g die Perioden der ein- und dreiknotigen freien Schwin 
gung nach mehreren Methoden berechnet, die aber untereinander zu sehr verschiedenen Ergebnissen führten. Aus 
diesen bestimmte er dann unter gewissen, teilweise widersprechenden Annahmen angenähert die wahrschein 
lichste Schwingungsdauer. 
Lange Zeit ließ man die Frage nach den Eigenschwingungen der Ostsee gänzlich unberührt, bis vor einigen 
Jahren von russischer Seite ( D u b o w [12]) Versuche an einem Bcckcnmodell vorgenommen wurden. Dabei 
wurden verschiedene Perioden ermittelt, die aber im Widerspruch zu den Beobachtungen stehen. Die von 
S o v e t o v (33), 11 j i n a (20) und R u d o w i t z (31) beobachteten seichesähnlidhen Schwingungen und auch 
die von O. Meißner (27, 28) als „Seiches der Ostsee" bezeichncten Seespiegelschwankungen können wegen 
ihrer kleinen Schwingungsdauer nicht zu den Eigenschwingungen der ganzen Ostsee gerechnet werden; sie stellen 
gewiß nur Bucht- und Uferschwingungen kleiner Teile der Ostsee dar. 
Beobachtungen von Wasserstandsschwankungen längerer Periode findet man in der Literatur nur vereinzelt 
und dann ausschließlich im Zusammenhang mit den Überschwemmungen im Finnischen Meerbusen erwähnt. 
Nach der letzten großen Überschwemmung in Leningrad im September 1924 trat die Frage nach den Ursachen 
dieser Hochwasser sehr in den Vordergrund. Aber die Ansichten der Forscher über die Bedeutung der ver 
schiedenen Faktoren, die zur Entstehung der Hochwasser beitragen, gehen weit auseinander. [W i e s e (37), 
Kaminsky (22), Berg (1).] S. E. S t e n i j (34) hat den Fall vom 23. September 1924 vor ein paar Jahren 
aufs neue sehr eingehend studiert und findet, daß die außergewöhnliche Größe des Hochwassers am Ende des 
Finnischen Meerbusens durch das Zusammentreffen verschiedener Umstände zu erklären ist. Neben einer fort 
schreitenden Welle läßt er auch die Möglichkeit einer stehenden Welle zu und führt einen, wenn auch nur 
geringen Teil des wirklich beobachteten Hochwassers auf die Existenz dieser stehenden Welle zurück. „Um 
die entstehenden Schwingungen bis ins einzelne Voraussagen zu können, müßte man die Schwingungseigen 
schaften des Ostseebeckens im einzelnen kennen. Dies ist aber ein Problem, das noch seiner Lösung harrt“, 
schreibt S t e n i j in der eben erwähnten Arbeit und geht auch nicht weiter auf das Problem der Eigen 
schwingungen der Ostsee ein, sondern begnügt sich mit einer rohen Schätzung der Periode der einknotigen 
Schwingung. 
In seiner letzten Arbeit hat auch E n d r ö s (13) auf die Möglichkeit des Vorhandenseins freier Wellen 
in der Ostsee hingewiesen und einige vermutliche Periodenlängen angegeben, ohne aber die von ihm behan 
delten Wasserstandsschwankungen über die ganze Ostsee hin näher zu verfolgen oder nach anderen Beispielen 
zu suchen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.