Dr. Carl Pflugbeil: Sturmtiefbildung ü. d. nordamerik. Kontinent (Höhenwetterkarten; Isentropen-Analyse) 27
wesentliche Richtungsdivergenz der Höhenströmung hervorbringen. Würde also der Kaltluftvorstoß auch
noch in diesem Falle mit einer in der Höhe vorauseilenden Labilisierung einhergehen, so müßte man auch
jetzt noch die Gewinnung erheblicher Energiemengen durch thermodynamische Kreisprozesse bei Annäherung
an die Warmluft zulassen, während nach der Riditungsdivergenztheorie bzw. nach dem Dreimasseneck
kriterium nichts passieren dürfte.
In der Praxis wird aber die Annäherung einer Kaltluftmasse an eine „zyklonal begrenzte“
Warmluftmasse nicht beobachtet. Wohl kommt zum Abschluß jeder größeren Zyklogenese das Nebeneinander
von kalt und warm in der Art der Abbildung 46b zustande; aber das eigentliche Zusammentreffen ist regel
mäßig schon längst vorher erfolgt, und zwar mehr oder weniger ähnlich dem Schema der Abbildung 46a. Das
Ausbleiben eines Energiegewinnes bei dem Nebeneinander von warm und kalt nach Abbildung 46b könnte
man auch ohne Hinweis auf die fehlende Richtungsdivergenz der Höhenströmung dadurch erklären, daß die
verschiedenen Luftmassen schon zu lange in Berührung miteinander stehen, so daß sich deshalb unterdessen
ein dynamisches Gleichgewicht zwischen ihnen eingestellt hat. Die teilweise tagelang existierenden tropo-
sphärischen Kaltlufttropfen am Ende kräftiger Zyklogenesen, ohne daß noch irgendein Energiegewinn auf-
tritt, sprechen für diese These.
Da in der Praxis das Zusammentreffen (im Sinne einer Bewegung aufgefaßt) von Kalt- und
Warmluft durchweg nach dem Schema der Abbildung 46a verläuft, können wir sagen: Ein hochreichender
Kaltluftvorstoß begünstigt in der Regel die Temperaturfeldsituation des Dreimassenecks.
Ist umgekehrt das Dreimasseneck und damit in der Höhe eine ausgeprägte Richtungsdivergenz vor
handen, so muß nadr der Richtungsdivergenztheorie ein Strömen der Luft von allen Seiten in das Richtungs
divergenzgebiet einsetzen, mit dem Ziel, das Massendefizit auszugleichen; d. h. aber, es wird in der Höhe auch
das Einströmen von Kaltluft begünstigt. Damit ist dann wieder eine in der Höhe vorauseilende Labilisierung
und damit ein thermodynamischer Energiegewinn möglich.
Insgesamt können wir also sagen, ein hochreichender Kaltluftvorstoß und die Temperaturfeldsituation
des Dreimassenecks begünstigen sich gegenseitig.
I. Material.
Das Material für die Bodenkarten ist z. T. aus den uns freundlich übersandten gedruckten Wetterkarten
(Daily Weather Map) des Kanadischen Meteorologischen Dienstes, Toronto, entnommen, z. T. aus den ent
sprechenden großen Karten des USA Weather Bureau, Washington, die in der Seewarten-Bibliothek greifbar
waren. Vom Meteorological Service of Canada, Toronto, standen die für Meteorologie-Studenten hergestellten
Bodenarbeitskarten, die wertvolle Hinweise für die genaue Frontlage durch ergänzende Meldungen gaben,
Arbeitskarten und Tabellen für Höhenwinde zur Verfügung. Das auf Beobachtungen und Berichte aus dem
Bereich des USA Weather Bureau, Washington, zurückgehende Aufstiegsmaterial ist gleichfalls von Herrn
Andrew Thomson, Toronto, Meteorological Service of Canada, zur Verfügung gestellt worden.
Herrn Prof. Dr. P. Raethjen sage ich auch an dieser Stelle für wertvolle Ratschläge bei der Durch
führung der Arbeit meinen herzlichsten Dank.