Dr. Carl Pflugbeil: Sturmtiefbildung ü. d. nordamerik. Kontinent (Höhenwetterkarten; Isentropen-Analyse) 25
Abb. 45: Vergenzen der 500 mb5Fläche und 3*stündiger Boden*
luftdruckfall (in '/5 mb). 24. I. 38., morgens.
G. Neubelebung eines Resttiefs
durch in der Höhe einsetzende Labilisierung im Zusammenhang mit
einem hochreichenden Kaltlufteinbruch,
Nachdem sich bei Anwendung der Isentropen-Analyse zusätzliche Aussagen über Labilitätsverhältnisse
ergeben haben (Abb. 41—44, Tafel VI—VII), wollen wir die Zyklogenese noch einmal im Zusammenhang
betrachten unter Zugrundelegung der Vorstellung eines Energiegewinnes aus thermodynamischen Kreis
prozessen.
Am 23. Januar 1938, 8 Uhr (Abb. 2, Tafel I), liegt ein kleines Resttief über dem westlichen Texas, und
auf seiner Ostseite befindet sich offenbar echte subtropische Warmluft, die durch eine scharf ausgeprägte
Bodenfront im Norden begrenzt ist. In der Nähe des Tiefs fällt auch in der Warmluft Regen. Die 500 mb-
Höhenkarte (Abb. 8, Tafel III) zeigt ein kleines, zugehöriges, geschlossenes Zirkulationszentrum, und die
Karte der relativen Topographie desselben Tages (Abb. 16, Tafel IV) enthält einen entsprechenden, kleinen
Kaltlufttropfen. Wie die 24stündige Niederschlagskarte vom 23. (Abb. 11, Tafel III) in Verbindung mit dem
Ausbleiben einer wesentlichen Labilisierung während der nächsten 24 Stunden trotz kräftiger Kaltluftadvektion
nahelegt, ist die Warmluft über den südlichen Staaten von Nordamerika in der Nähe des kleinen Resttiefs
labil geschichtet; vereinzelt wird sogar (in unmittelbarer Kaltfrontnähe) eine Niederschlagssumme von 51,8 mm
gemessen.
Diesem kleinen Resttief, auf dessen Ostseite über ausgedehnten Gebieten subtropische Warmluft
lagert, nähert sich nun, wie oben im einzelnen erläutert (Abb. 29, Seite 11), ein mächtiger Kaltluftstrom aus
Nordwest. Der Labilisierungskarte vom 22. bis 23. (Abb. 29, Tafel V) entnehmen wir, daß in Begleitung
dieses Kaltluftvorstoßes eine besonders kräftige I Iöhenabkühlung, z.T. vorauseilend, auftritt. Auch in der
Labilitätskarte vom 23. Januar, morgens (Abb. 42, Tafel VII) erkennen wir ein an die Kaltluft gebundenes
Gebiet großer vertikaler Temperaturgradienten (von etwa 250).
Dieser Kaltluftstrom trifft jetzt auf das kleine Resttief mit (in seiner Nähe) labiler Warmluft. Das muß
natürlich zu kräftigsten Umlagerungen und Niederschlägen führen.
Wie die Niederschlagskarten im einzelnen dartun (Abb. 11—14, Tafel III—IV), liegen die Maxima
der Niederschläge genau auf der Zugbahn des entstehenden Sturmtiefs. Dabei fallen insbesondere die
umfangreichen, intensiven Niederschlagszonen vom 24. Januar mit den Labilisierungszonen (Abb. 30, Tafel V)
und mit der Vordergrenze des Labilitätsgebietes (Abb. 43, Tafel VII) zusammen, so daß also diese Nieder
schläge durch das Vordringen der hochreichenden Kaltluft bzw. durch das damit im Zusammenhang
stehende, zum Teil vorauseilende Labilisierungsgebiet erklärt werden können. An Hand des dafür nicht oft
genug beschickten aerologischen Netzes läßt sich keine Aussage darüber machen, ob das der Kaltfront zum
Teil vorauseilende Labilisierungsgebiet nun wirklich durch in der Höhe vorauseilende Kaltluft bedingt ist
oder ob es sich, wie es durch den von Bjerknes und Palmen untersuchten Fall (23) nahegelegt wird, um interne
Abkühlungen in der vor der Kaltfrontfläche befindlichen Warmluft (etwa durch Hebungsprozesse) handelt.
Tatsache ist jedenfalls, daß Labilisierung auch vor der Bodenkaltfront eintritt, und schon aus den sehr großen
Beträgen der Niederschlagssummen kann man auf derartige labile Umlagerungen als wahrscheinlichste
Ursache schließen, da durch Aufgleitprozesse in einer einzigen Nacht (am Abend des 23. Januar ist der Raum
südwestlich von Chicago nadr der Bodenkarte [Abb. 20, Tafel V] noch niederschlagsfrei) kaum so große Werte
erreicht werden dürften.