Fr. Model : Pegelstationen des Kriegsmarine-Pegelnetzes der Ostsee.
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verfeinerte sich, die Ergebnisse wurden differenzierter, Kleinarbeit machte sich erforderlich,
und so erlahmte das Interesse der großen Öffentlichkeit. Das errichtete Netz von Lattenpegeln
aber hat sich, wenn auch mit Lücken, bis in die Gegenwart erhalten.
Noch einmal wtirde der Wasserstand der Ostsee zum Gegenstand lebhafter Diskussionen.
Als Bessel vor hundert Jahren die Länge des Sekundenpendels auf der Berliner Sternwarte
bestimmte, fehlte ihm als wichtigster Reduktionsfaktor die Höhe von Berlin „über Meeres
niveau“. Auf Veranlassung von Alexander v. Humboldt führte deshalb der spätere Direk
tor des Geodätischen Instituts, Baeyer, ein trigonometrisches Nivellement zwischen Swine
münde und Berlin aus, wobei er als Nullpunkt, auf den sich das gesamte Nivellement bezieht,
das in Swinemünde angenommene „Mittelwasser“ zugrunde legt. Die Geodäten der damaligen
Zeit gingen von dem Grundgedanken aus, daß die Meeresoberfläche mit einer Niveaufläche zu
sammenfällt. Es ging darum, in ganz Europa einen einheitlichen Nullpunkt zu schaffen, der
eben mit der Meeresoberfläche zusammenfallen sollte. In dem dieser Frage wegen ausbrechen
den Meinungsstreit beschloß die Europäische Gradmessung (1864), die mittlere Höhe der ein
zelnen Meeresgebiete vom Mittelländischen Meer bis zur Ostsee zu bestimmen, und zwar mit
Hilfe von Registrierpegeln. In Preußen wurden daraufhin die Schreibpegel des Geodoätischen
Instituts gegründet, die um die beiden marineeigenen Pegel Marienleuchte und /\rkona (Abb. t
Seite 12) vermehrt wurden. Wieder war es Seibt, der in dem Seibt-Fueßsdien Schreibpegel
das Standardinstrument schuf, das am besten geeignet war, das notwendige Material für den
hier vorliegenden Fragenkreis beizutragen.
Inzwischen wurde durch ein Nivellement von Amsterdam nach Berlin von anderer Seite
ein „Normalnullpunkt“ geschaffen, der Ausgangspunkt unseres jetzigen Reichshöhennetzes. Die
ursprüngliche Aufgabe der Schreibpegel, nämlich zur Prüfung der Frage beizutragen, ob die
Meeresoberfläche eine Niveaufläche ist, geriet in Vergessenheit und wurde betreffs des Normal
nullpunktes gegenstandslos. Aber die Schreibpegel arbeiten noch heute und sind, wie eingangs
erwähnt wurde, die einzigen Registriereinrichtungen, die bis jetzt zu ozeanographischen Un
tersuchungen zur Verfügung standen.
Wir stehen am Anfang einer dritten Epoche, die die Wasserstände der Ostsee zur Diskussion
stellt. Es geht um physikalische Zusammenhänge von Strom, Wind. Dichteaufbau usw. und
Wasserstand. Daß diesen Untersuchungen von vornherein das geeignete Beobachtungsmaterial
zur Verfügung gestellt wird, ist dem Oberkommando der Kriegsmarine zu danken, das die
nidit unerheblichen Geldmittel für die Bauten zur Verfügung stellte und sich für ihre Durch
führung einsetzte. Für ozeanographische Zwecke muß die Höhe des Wasserstandes an der freien
Küste gemessen werden. Das wissenschaftliche Interesse verlangt, daß die Pegel gerade nicht
an den Stellen errichtet werden, an denen irgendein Einfluß durch Hafenbauten oder der
gleichen zu befürchten ist, denn es geht nicht darum, möglichst langzeitliche Mittelwerte zu
bilden, sondern fehlerfreie Augenblickswerte des Wasserstandes zu erhalten. Auch die Didite
des Beobachtungsnetzes muß sich diesen Bedürfnissen anpassen; ebenso wie z. B. die Frage des
einheitlichen Maßstabes sich nach der Genauigkeit richten muß, die verlangt wird, und nicht
durch bisherige Gepflogenheiten beeinflußt werden darf.
Wie sich sehr bald zeigen wird, ist die Errichtung eines so großzügig geplanten Beob
achtungsnetzes längs der deutschen Ostseeküste nidit das Werk eines einzigen, am wenigsten
das des Verfassers, und kann es auch gar nicht sein. Die Deutsche Seewarte erhielt den Auftrag,
Pegelstellen zu erriditen; das Oberkommando der Kriegsmarine erbat vom Reichsverkehrs
minister die Mitarbeit der Wasserstraßenämter, durch deren Unterstützung die Seewarte ihre
größte Hilfe erhielt. Auf den zuständigen Behörden, etwa auf dem Wasserstraßenamt Ostsee,
Kiel, beschäftigte sich nun nidit nur der Vorstand, sondern gelegentlich das gesamte Amt mit
der Konstruktion und Bauleitung der zu errichtenden Pegel. Schon in den ersten Bauten wurde
so eine große Anzahl von Einzelerfahrungen verwertet, die zu der auch bei den späteren Kon
struktionen verwendeten diarakteristischen Pegelbrunnenform führten. Bei jedem weiteren
Bau wurde von der Grundform ausgegangen und die Veränderungen angebradit, die sich in
der dazwischenliegenden Erprobungszeit als wünschenswert herausgestellt hatten. Zugleich