Josef Marner: Die klimatischen Bedingungen für die Siedlung von Nordeuropäern in den Tropen.
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Zusammenfassung.
In den tieferen Lagen liegen die klimatischen Hindernisse für die Ansiedlung des Nord-Europäers vor
allem in den Temperatur- und Schwüleverhältnissen. Schon in Höhen über 1000 m scheint für den größten Teil
des Jahres in dieser Hinsicht eine Änderung einzutreten, und die Gebiete über 1400 m müssen als durchaus
gesund für den Europäer angesprochen werden. Der Raum der besten klimatischen Lebensbedingungen
dürfte sich von 1400 bis über rund 2000 m erstrecken. Darüber hinaus wird es jedoch zu feucht und kalt.
In Unterkonde, das zu den regenreichsten Gebieten von ganz Deutsch-Ostafrika überhaupt gehört, tritt
überdies noch die große Gleichmäßigkeit des täglichen Temperaturverlaufes zu den anderen ungünstigen
Bedingungen hinzu. Die trockneren östlichen Hänge haben in den größeren täglichen Schwankungen eine
Gunstkomponente des Klimas aufzuweisen. Es läßt sich aber noch nicht entscheiden, ob sich hier nicht schon
tiefere Lagen als 1000 m für die Besiedlung durch den Europäer eignen.
III. Ergebnis.
Unter der Voraussetzung, daß die Ortschaften Deutsch-Ostafrikas, deren meteorologische Beobachtungen
den vorstehenden Ausführungen zugrunde liegen, als charakteristisch angesprochen werden können, und
unter der Annahme, daß die benutzten Methoden die Wirkung des tropischen Klimas auf den weißen Men
schen genügend kennzeichnen und damit sich praktisch als brauchbar erweisen, führen die Unter
suchungen zu folgendem Ergebnis:
Die Landschaften Deutsch-Ostafrikas lassen sich hinsichtlich der klimatischen Verhältnisse für die
Ansiedlung von Nordeuropäern in 5 Gruppen teilen:
1. Das Küstentiefland und das zugehörige Binnenland ist gekennzeichnet durch eine während des größten
Teiles des Jahres herrschende Schwüle. Nur in wenigen Monaten können abkühlende Winde für den Europäer
zeitweise günstige klimatische Bedingungen schaffen. Der Süden ist gegenüber dem Norden vornehmlich
durch den ausgesprocheneren Wechsel der Jahreszeiten und die größeren täglichen Temperaturschwankungen
bevorzugt. Nirgends lassen sich allerdings im Tiefland Gebiete finden, in denen eine so gleichmäßig hohe
Feuchte und damit stets gleichbleibende Schwüle herrscht, wie es anderen äquatorialen Niederungen, etwa
denen Westafrikas, eigen ist. Für Dauersiedlung käme also das Gebiet wohl grundsä^lieh nicht in Frage. Für
längere Siedlung besteht die Möglichkeit, die zahlreichen Gebirge und Plateaus, vor allem im Süden, im Zeit
alter des Autos als Wohnlage für die in der Ebene liegenden Pflanzungen auszunutzen. Im nördlichen Küsten
gebiet kämen dafür, vornehmlich in der klimatisch besonders ungünstigen Zeit, Usambara in Frage, im mittleren
Küstengebiet Uluguru und Unguru, im südlichen Tiefland die zahlreichen Plateaus und Inselberge.
2. Als ausgesprochene Siedlungsgebiete in Deutsch-Ostafrika kann man klimatisch die Hochländer
Deutsch-Ostafrikas bezeichnen, deren Höhenlage 1000 m wesentlich überschreitet. Hierzu rechnen das Rand
gebirge einschließlich Usambara, das Kilimandscharo-Meru-Gebiet, das Zwischenseegebiet, die einzelnen
hochgelegenen Plateaus, Stufen und Berge des großen abflußlosen Gebietes, die Höhen vom Ufipa-
hochland bis zum Kondeland und die östliche Umrahmung des Njassa-Sees. In den küstennahen Hochländern
reicht das für die Besiedlung geeignete Gebiet am tiefsten herab. Hier besitzen die Lagen etwa zwischen 1000
und 2000 m die besten klimatischen Bedingimgen für das Wohlbefinden des Europäers. In den Hochländern
im Innern beginnt das vorzugsweise besiedlungsfähige Gebiet etwa erst bei 1200 m und reicht bis zu größeren
Höhen, weil stellenweise die allgemeine Trockenheit die Grenze der feuchtkühlen Zone heraufsetzt.
3. Das Zentralplateau und vornehmlich das große abflußlose Gebiet des Nordens (ausgenommen die
unter 2. erwähnten besonders herausragenden Höhen) sind gekennzeichnet durch ihre Trockenheit. Hier ist
infolge der meist geringen Luftfeuchte Schwüle selten oder gar nicht vorhanden. Die Ungunst des Klimas
für den Europäer gründet sich hier vielmehr auf die zeitweise sehr hohen Temperaturen und die starke