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Full text: 60, 1940

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Joachim Blü tilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbriidie in Europa. 
ratur und im mittleren Gange vieler meteorologisclier Elemente spüren, sondern dessen Be 
deutung für die Dynamik des Winters, insbesondere für die Bewegungen der Kaltluft, in gleicher 
weise hervorzuheben ist. 
In der außerordentlichen Häufung von NW-KE in Island, mit großer Variabilität der Einzel 
elemente, erkennen wir die Rückseite des Tiefdrucktroges, die nur durdh die jahreszeitlich ver 
schiedene Nähe des Kaltluftquellgebietes einem Rhythmus unterliegt, welcher sich namentlich 
in den Temperaturmittelwerten wiederspiegelt. Die Struktur der Kaltluftzufuhr bleibt jedoch 
das ganze Jahr über gleich, sofern wir zunächst den äußersten Nordwesten Europas im Auge 
behalten. Die Ausbildung der einzelnen Wirbel innerhalb des Tiefdrncktroges bringt es mit sich, 
daß ein Teil der Rückseiienvorstöße den Trog durchstößt und gegen das mitteleuropäische Fest 
land vordringt. Gegenüber denen Islands sind es aber weit weniger. Diese Tatsache heraus 
zustellen, ist wesentlich. Da andererseits kontinentale Kaltluft nur höchst selten in umgekehrter 
Richtung vom Kontinent gegen die Britischen Inseln vordringt, ergibt sich daraus auch hier 
durch für diesen Teil des atlantischen Europa die kennzeichnende Milde der Winter. Insbesondere 
liegt Irland clen in Betracht kommenden Kaltluftquellen am meisten entrückt. Die bevorzugte 
Lage eines Hochdruckkeiles über Irland vom Azorenhoch her schafft nur einen geringen Aus 
gleich. indem dadurch gewisse Ausstrahlungsmöglichkeiten im Innern cler Insel geboten sind. 
Das nach Westen und Osten geöffnete Mitteleuropa bietet im Hinblick auf die Kaltluft- 
einbrüche des Winters ein außergewöhnlich vielseitiges Bild. Zwar gehen die Veränderungen 
hier wie über dem ganzen Festlande ruhiger vonstatten, dafür aber haben wir eine Typen 
vielfalt, welche clem Klimatologen immer neue Erlebensmöglichkeiten und Anregungen schafft. 
Die Kammerung des inneren Mitteleuropa trägt das übrige in dieser Hinsicht bei; aber sie be 
deutet doch bei dem physikalischen Verhalten der Kaltluft gegenüber der Warmluft im Ge 
samthaushalt gesehen eine Erhaltungs- und sogar Neubildungstendenz cler Kaltluft. Mittel 
europa ist daher trotz seiner Entfernung vom Polargebiet nicht nur Durchgangsgebiet für Kälte 
einbrüche (wie z. B. die USA in hohem Grade), sondern in größerem Maßstabe auch selbstän 
diges Nährgebiet. 
Die Vielfalt der Kaltluft in Mitteleuropa nimmt nach Osten hin rascher ab als nach Norden. 
Die küstenfernen und zyklonenfernen Teile Osteuropas gleichen nicht nur die KE-Typen unter 
einander aus, sondern auch die anderen Winterbestandteile, die Wärmevorstöße, werden diesem 
Ausgleich auf mittlerer, strahlungsbedingter Linie zugeführt. 
Nordeuropa dagegen erhält die Prägung seines Winters durch drei Dinge: die polwärtige 
Lage, die kontinentale Erstreckung im Schutze desKjöl und die Nähe (im Süden sogar Öffnung) 
zur Vorderseite des Tiefdrucktroges. Die ersten beiden Eigenheiten sind kaltluftfördernd, die 
letztere hemmend. Infolge seiner Erstreckung aus mittleren in polare Breiten interferieren 
hier gemäßigter und polarer Strahlungsgang mit allen ihren Folgen für die Klimagestaltung. 
Da cler polare Strahlungsgang namentlidi im Frühjahr dem gemäßigten nachhinkt, wird da- 
durdi ein Aufeinanderprallen cles beginnenden gemäßigten Sommers und des weichenden 
polaren Winters in clen Frühjahrsmonaten bewirkt. Ohne die Schutzmauer des Kjöl, der zu 
gleich hier wie eine Leitlinie wirkt, würden die Frühjahrsgegensätze, welche auch bei uns ihren 
fühlbaren und vollkommen zwangsläufigen Ausdruck in dem bekannten Aprilwettertyp haben, 
weit weniger scharf sein. Der Kjöl leitet die polare Kaltluft nach Süden und schützt sie vor 
Vermischung mit milder Atlantikluft. 
Im Hochwinter leistet Nordeuropa dagegen nicht dem polaren, sondern dem osteuropäisch- 
kontinentalen Einfluß, der im Nordostraum sdion deutlich ausgeprägt ist. Vorsdiub, ja, es trägt 
durch eine Abdrängung der atlantischen Warmluftströme in die Arktis zu deren verspäteter 
Abkühlung in diesem Sektor selbst bei. In der zur Hochwinterzeit vor sich gehenden intensiven 
Kaltluftbildung in Nordeuropa selbst wird ein Block geschaffen, cler eher nach Osteuropa hin 
Verbindung zu gleichen Aktionszentren hat als nach dem Polargebiet. Allerdings dürfen wir 
diese Verbindung nicht so intensiv auf fassen, als ob nun durch einen nordeuropäischen Kalt 
luftblock schon ein Transport von Eismeerkaltluft aus der Gegend des Karischen Meeres und 
der Obmiindung nach Rußland und Mitteleuropa allein bewerkstelligt werden könnte. Das be
	        
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