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Aus dein Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 60. Band. Nr. 6/7.
einzelnen Monaten untersucht, die ein noch übersichtlicheres Bild verschafft, indem das Zu
sammenwirken verschiedener KE-Tvpen deutlich im Verlaufe des Winters hervortritt. Auch der
Gang in den einzelnen der acht Winter wurde besprochen, um z. B. das singuläre Verhalten
einzelner Winter mit dem Gange der KE und ihrer Zusammensetzung zu vergleichen. Z. B. ist
ein strenger Winter keineswegs durch eine höhere Zahl von KE ausgezeichnet, wohl aber durch
das Vorwiegen bestimmter Kombinationen vorwiegend festländischer Art mit entsprechenden
Eigenschaften. Der Winter 1929 wurde besonders erwähnt. In ihm gab es auffallend wenige
NW-KE, dafür sehr weit reichende festländische KE-Typen. Bei dem Versuch, die Eigenart be
sonderer Perioden, wie z. B. der Aprilkälterückfälle, an dem vorliegenden KE-Material zu
belegen, mußten Einzelheiten außer Betracht bleiben. Das Vorwalten von Nsk-KE in Nord-
und Mitteleuropa im späteren Frühjahr muß besonders hervorgehoben werden.
Diese Betrachtung leitete über zu der Frage der Übereinstimmung bestimmter Wetterwende
punkte mit bestimmten KE oder KE-Häufungen. Auch hier können wir genaue datenmäßige
Festlegungen einzelner KE oder KE-Gruppen nicht erwarten, wohl aber machen sich bestimmte
Häufungen bemerkbar, die sieh zwanglos in einen Witterungskalender in Anlehnung an
Schmauß einf ügen lassen. Die Herbstfrühfröste sind durch die ersten weitreichenden NW-KE
z. B. gut belegt, auch die Maikälte durch weitreichende Nsk-KE. Auch die Kongruenz der vor
weihnachtlichen kontinentalen Kälte in Mitteleuropa, die oft einzutreten pflegt, mit den ersten
weitreichenden NO-KE ist bemerkenswert. Im allgemeinen jedoch ist die KE-Statistik, so wie
sie hier aufgebaut wurde, f ür Singularitätsforschungen von größerer Genauigkeit nicht geeignet,
wohl aber zur Charakterisierung größerer Witterungsabschnitte.
In einem besonderen Abschnitt ist auch soweit angängig eine Parallelisation mit Mittel
werten versucht worden, die dort brauchbare Resrdtate ergeben hat, wo einesteils passende
Luftkörper zum Vergleich herangezogen wurden, für die Mittelwerte an festen Stationen be
rechnet worden sind, oder wo andererseits thermische Windrosen vorliegen. Diese beiden Be
griffe sind mit den KE vorliegender Definition am ehesten verwandt. Auf die Unmöglichkeit,
für unsere KE selbst klimatische Mittelwerte der Elemente zu errechnen, wurde mehrfach hin
gewiesen. Dafür könnten nur die bestehenden Beobachtungsstationen herangezogen werden,
aber diese befinden sich innerhalb des KE in einer fortwährend wechselnden relativen Lage.
Auch sind Ausdehnung und Andauer der KE äußerst variabel.
Die im systematischen Teile gewonnenen allgemeingeographischen Erkenntnisse über das
Wesen der KE finden im regionalen Teil ihre synthetisdie Anwendung. Es wurden folgende
kaltluftklimatische Räume aufgestellt: der Nordwestraum, Skandinavien mit Lappland, der
Nordostraum und Mitteleuropa. Wenn wir die Ergebnisse in diesem Hauptteil zusammenstellen,
so können wir folgendes Übersichtsbilcl über die dynamische Struktur der winterlichen Kalt
luft in Europa entwerfen.
Die winterliche Kaltluft Europas können wir ihrer Herkunft nach zunächst in zwei Gruppen
unterbringen: die polare und die kontinentale. Bleiben wir bei der ersteren. Die Quelle der
polaren Kaltluft fällt nicht mehr in unser Untersuchungsbereich selbst hinein; denn sie liegt bei
Nordostgrönland einerseits (nämlich für die NW-KE) und im Barentsmeer andererseits (näm
lich für die Nsk-KE). Die relativ bedeutende Mächtigkeit dieser Vorstöße, besonders bevor sie
clas europäische Festland erreichen, läßt vermuten, daß die von Sverdrup (1925) behandelte
eigentliche nordpolare Kaltlufthaut der unteren 500 Meter dabei nur eine untergeordnete
Rolle spielt.
Während die Nordwestluft auf ihrem Wege vom Quellgebiet ein ausgedehntes Meeresgebiet
mit wesentlich höheren Wassertemperaturen überqueren muß, bevor sie das Festland erreicht,
trifft die Polarluft in Nordeuropa schon nach sehr kurzer Überwehung im Winter offener Meeres
teile auf das Festland. Dies geschieht ferner noch in polarer Breitenlage, während die Nord
westluft in mittlerer Breite das Festland erreicht. Island und die Britischen Inseln bilden Stütz
punkte dieses Weges, ersteres nahe clem Quellgebiet, letzteres nahe dem Zielgebiet. Beide sind
getrennt durch den Isobarentrog vom Nordatlantik zum Eismeer, dessen vielfältige Einwirkung
auf das Klima fast ganz Europas wir nicht nur in den mittleren Breitenanomalien der Tempe