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Joachim Bliit Ilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbriiche in Europa.
keineswegs immer mit einer geringen räumlichen Ausdehnung einher zergehen braucht. Erwar
tungsgemäß besitzen die kontinentalen KE während der Hauptwintermonate ihre längste
Dauer, dagegen finden sich sehr lange anhaltende maritime KE-Typen auch noch in den An
fangs- bzw. Endmonaten der gesamten KE-Periocle.
Bei einer Untersuchung über die Dauer der KE-Typen ist dem Auftreten degenerativer und
regenerativer Erscheinungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die Insolation ist im
Frühjahr ein sehr wesentlicher Degenerationsfaktor, insbesondere über dem Festlande, das
seine Schneedecke schon eingebüßt oder gar keine besessen hat. Im übrigen de-bzw. regenerieren
die KE je nachdem, in welche Lage zu den Luftdruckgebilden sie geraten. Der NW-KE auf der
Rückseite eines Tiefs wird vor der nächsten Front eines neuen Tiefs rasch in ganz charakteri
stischer Weise degenerierten, er kann aber auch nach Vorüberzug eines entfernten Tiefs kräftig
regenerieren. Für die Regeneration eines festländischen KE ist die Schneedecke ein be
deutender Regulator.
Bei einer Untersuchung der Bedingungen der Kaltluftbildung, die für die De- und Re
generation eines KE entscheidend sind, sprechen die geographischen Verhältnisse in erster
Linie mit, und zwar die von cler geographischen Breite abhängende mögliche Dauer der Aus
strahlungszeit, die Lage im Schutze eines Sperrgebirges, wie z. B. des Kjöl, die Küstenferne und
schließlich die Hochdruckbereitschaft, wie sie z. B. im Bereich cler W oeikof sehen Kontinental
achse vorhanden ist.
Die meteorologisdien Ursachen cler KE wurden nur insofern verfolgt, als sie für das geo
graphische Erscheinungsbild von Belang sind. Für das Schicksal eines KE ist seine Zugehörig
keit zu zyklonalem oder antizyklonalem Strömungsbereich wichtig. Nicht immer ist ein Typ
schon eindeutig einem von beiden zuzuweisen. Bei den SO-KE z. B. verzahnen sich beide Ur
sachen dergestalt, daß es rein zyklonale, rein antizvklonale und soldie, wo beide Einflüsse er
kennbar sind, gibt. Da wir mit diesem Problem einen außerordentlich umfangreichen Fragen
komplex berühren, der innerhalb der Meteorologie eine vielseitige Behandlung erfahren hat,
ist notgedrungen die Berücksichtigung dieser Literatur ziemlich umfangreich. Da dieses Kausal
problem bei einer Behandlung von Kaltlufteinbrüchen schlechterdings nicht zu umgehen ist,
obwohl es geographischer Betrachtungsweise zweifellos direkt ferner steht, ist von einer Weg
lassung abgesehen worden. Ich betone jedoch ausdrücklich, daß die Gründe für eine Einschaltung
dieses Kapitels sich aus dem Gang der Untersuchung ergeben haben, nicht aus methodisch
geographischen Erwägungen. Wir gelangen in stärker geographisches Bereich, wenn wir die
Beziehungen kausaler Natur zwischen vorangegangenen KE und nachfolgenden ins Auge fassen.
Auf NW-KE folgen öfters C-KE infolge Absinkens der mit dem NW-KE nach Mitteleuropa ge
langten Kaltluft. Auf NO-KE folgen ebenfalls vielfach C-KE infolge Abreißens der Verbindung
nach NO durch ansteigenden Luftdruck über Mitteleuropa. NO-KE wiederum können durch
Nsk-KE aufgebaut werden oder direkt aus solchen stammen, indem die Eismeerkaltluft unter
wegs stark kontinentalisiert wird. Wichtig ist auch die Tatsache, daß die Luftdruckgebilde einen
gewissen räumlichen Rhythmus in der Anordnung der KE über Europa bedingen. So steht oft
einem NW-KE über Island gleichzeitig ein SO-KE über Südosteuropa gegenüber, beide sind
zvklonaler Natur und haben ihre gemeinsame Ursache in einem atlantischen Tief. Zwischen
anderen KE-Typen ist eine solche räumliche Anordnung innerhalb des Untersuchungsbereichs eben
falls leicht nachweisbar, besonders die Kombinationen NW+NO und NW+Nsk treten hervor.
Der jährliche Gang der Vorstöße zeigt zunächst die Beschränkung cler kontinentalen KE-
Tvpen auf den Hochwinter, auf die Zeit vorwiegender Ausstrahlung, während die NW-KE zeit
lich einen viel größeren Spielraum umfassen, cler die gesamte Periode mit KE umfaßt. Im LIerbst
setzt die KE-Tätigkeit mit NW- und Nsk-KE ein, und zwar im äußersten Norden des Unter
suchungsgebietes. Die Nsk-KE flauen dann sehr rasch ab, um erst im Frühjahr wieder kräftig
zuzunehmen. Die C-KE erreichen ihren Höchstwert im Dezember, die SO-KE erst im Januar.
Beide Kurven verlaufen aber mit Phasenverzug auffallend parallel. Die NO-KE weisen recht
unregelmäßige Häufungen auf. Ihr zeitliches Ausdehnungsbereich ist wie zu erwarten im Norden
größer als im Süden, wo ihnen die Insolation schon früher ein Ende setzt. Zur Ergänzung des
Jahresganges cler einzelnen KE-Typen wurde auch die Häufigkeit von KE-Kombinationen in den