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Full text: 60, 1940

Joachim Blü tilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbriiclie in Europa. 163 
Wirkung, eintreten. 1929 zeigte sich so z. B. eine Begünstigung der Südalpentäler gegenüber 
der viel kälteren Lombardei und dem Boraeinfallstor bei Triest. Audi die Oberrbeinebene 
wurde durch den Sdiwarzwald begünstigt, ebenso gewisse west- und südsdiweizerisdie Talzüge 
(AVallis, Genfer See). 
Die Anomalien, die durdi die NO-KE gebracht werden, werden also durch das Relief 
abgeändert. Ein instruktives Beispiel, daß in Mitteleuropa NO-KE nidit generell gleiche Ano 
malien mit sich bringen, liefert die von Pogade (1930, S. 11) veröffentlichte Karte der Ano 
malien des Februarmittels 1929. Eingeleitet wurde der Februar durch extrem kalte SO-Strö- 
mungen, die aber bald in NO-KE übergingen. Diese hielten lange an, nur vorübergehend 
durdi die Ausbildung eines über Mitteleuropa lagernden und sich allseitig ausbreitenden kon 
tinentalen Kaltluftkissens abgelöst. Im Monatsmittel bewirkte dies eine von den Karpathen 
durch Sdilesien bis Brandenburg und Thüringen reichende maximale Anomalie von mehr als 
—12° (vgl. hierzu auch die Isothermenkarte Grundmanns [1929] über die Kälte des 10. bis 
12. Februar in Schlesien). Uneinheitlich ist das Bild im gebirgigen Teil Mitteleuropas, wo Tal 
lagen zu großen, Gebirgslagen zu geringen Anomalien neigen. In letzterem prägt sich der 
Mangel der Ausstrahlungswirkung sowie die geringe Mächtigkeit der extrem kalten Boden 
kaltluft aus. Auf die Anpassung an das Gelände beim Vordringen der festländischen Kaltluft, 
die Ortmeyer (1928) an mehreren Beispielen untersucht hatte, sind wir im übrigen bei der 
Besprechung des Verlaufs eines NO-KE in Mitteleuropa eingegangen. 
Für Norddeutschland bringen im Winter (November bis März) NO-KE und vor allem 
aber solche aus SO (November bis Februar) die tiefsten Temperaturen, im September dagegen 
bringen NW- und Nsk-KE die Minimaltemperaturen. Im April sind dieNsk-KE für Norddeutsch 
land, namentlich den nordöstlichen Teil, maßgebend beteiligt am Zustandekommen der Tempe 
raturtiefstwerte. Diese summarischen Feststellungen lassen sidr in großen Zügen mit denen 
Großmanns (1900, S. 10) parallelisieren, wonach die größte Kälte in Hamburg von November 
bis März mit S—SO-Winclen, im April mit N—NO-Winden und im September und Oktober 
ebenfalls mit N—NO-Winden eintrifft. Die extrem kalten KE sind in Hamburg relativ seltener 
als im östlichen Mitteleuropa. Dies prägt sich in dem entsprechend höheren Kollektivmittel aus. 
Wir haben an anderer Stelle bereits darauf hingewiesen, daß bei kontinentalen KE, also C und SO, die strali- 
lungsbedingten Umkehrpunkte in den Übergangsjalireszeiteit recht deutlich in Erscheinung treten. Bestätigt wird dies 
durch die Angaben R. Geigers (1952, S. 565), der die Temperaturabweichung bei C-Luft im Frühjahr—Sommer- 
Herbst einerseits und im Winter andererseits in München mit fortschreitender Dauer des Luftkörpers darstellte. Da 
nach ist beim Einsetzen des KE (der die C-Luft bringt) die Temperaturabweidiung von —1° im ganzen Jahr die 
gleiche, bei weiterem Verbleiben des Luftkörpers - steigt seine positive bzw. negative Temperaturabweidiung ent 
sprechend dem Strahlungsgang der betreffenden Jahreszeit, wie ja nicht anders zu erwarten ist. 
Aus derselben Arbeit Geigers können wir auch den für Mitteleuropa bezeichnenden Temperaturgang polar 
maritimer Luftmassen, die sich noch halbwegs gut mit den NW-KE unserer Gliederung gleidisetzen lassen, ent 
nehmen. Sie treffen in Mitteleuropa mit schwach positiver Abweichung ein, jedoch fällt die Temperatur rasch unter 
dem Einfluß des Zur-Ruhe-Kommens und erreicht bereits nach zwei Tagen die negative Abweichung winterlicher 
C-Luft. Im Frühjahr und Sommer dagegen trifft die polarmaritime Luft mit stark negativer Abweichung ein und 
wird zunehmend erwärmt. Wegen des kurzen Verbleibens dieser Luft ist dieser Prozeß jeweils nur andeutungsweise 
erkennbar. Die tiefsten Abweichungen in München bringt im Frühjahr „PC“-Luft (bis —5.5°). Diese hält auch im 
Durchschnitt am längsten an. 
Wir berühren hiermit die Frage der Dauer der KE-Typen in Mitteleuropa und 
gleichzeitig damit die der Umwandlung. NW-KE verlieren über Mitteleuropa, wie im syste 
matischen Teil bereits ausgeführt wurde, ihren ursprünglichen Charakter sehr bald. In der 
Zeit des Hoch winters von November bis Februar kommt es dann zur Ausbildung von mittel 
europäischen Kaltluftkissen, ein Vorgang, der durch das Absinken der auf das Festland über 
getretenen Nordwestluft eingeleitet Avird. Das mit einem NW-KE verknüpfte Drucksteiggebiet 
ist dabei maßgebend beteiligt. Die Lebensdauer eines NW-KE ist in Mitteleuropa also gering, 
er entspricht den dortigen geographischen Gegebenheiten sozusagen nicht mehr, er ist dyna- 
misch-klimatologisch ein Fremdling, vor allem im eigentlichen Winter. Dagegen zeigen C~ und 
NO-KE hier eine Tendenz der Beharrung, welche in ihrer längeren Dauer zum Ausdruck kommt. 
Schon v. B ebb er (vgl. Hann-Süring, 1926, S. 640) hatte festgestellt, daß Hochdruckgebiete 
im N und NO ebenso wie einzelne mitteleuropäische Flochs im Winter die längste Erhaltungs-
	        
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