Joachim ß 1 ii thgeu: Geographie der winterlichen Kalt] ufteinbrüche in Europa. 157
polaren Vorstößen dagegen haben, wie wir gesehen haben, die Mittelgebirge und Alpen mit der
Höhe zunehmenden Frost, während die Tiefländer oft positive Temperaturen aufweisen. Höhere
Temperaturen in hohen Lagen (bis 4000 m) können jedoch außer bei der eben geschilderten
antizyklonalen Lage auch im Nordquadranten von Mittelmeerdepressionen auftreten, „wenn
über unteren kalten Luftschichten abnorm warme Luft strömt (W. Peppier, 1936, S. 215).
Das Aufgleiten solcher warmer Luft über die am Boden liegende Kaltluft ruft gelegentlich,
namentlich in einer orographisch wenig gestörten Frontalzone, ganz typische Erscheinungen
hervor (Noth, 1935: vgl. Fig. 101). Während die höheren Gebirgslagen vielfach im Bereiche
subtropische
Fig. 101. Winterliche Frontalerscheinungen in Mitteldeutschland (Vertikalschnitt nach Noth, 1955. S. 1S1).
cler warmen Höhenströmung Tauwetter haben (z. B. am 2t. Dezember 1938), tritt am Boden bei
Frost Eisregen auf, der bei einer von SW nach NO fortschreitenden Front über dem mittel
europäischen Flachland nur vorübergehend ist und den KE beendet, cler jedoch bei einem
warmen Höhenstrom von einer Mittelmeerdepression her länger anhalten kann und am Boden
keinen Warmluftvorstoß im Gefolge hat (21. Dezember 1938 ff.). Die bevorzugte G renz
lage eines Streifens von Jütland längs der Elbe bis Schlesien zwischen
K a 111 u f t und Warmluft bewirkt für dieses Gebiet bis zur Ostsee hin, wie
b e r e i t s gezeigt, häufigeres Auftreten der Frontalerscheinuugen, die ins
besondere unangenehme Flugzeugvereisungen (vgl. G. Schinze, 1932 [c]) im Gefolge haben
können. Für Mitteleuropa, insbesondere das mittlere norddeutsche Flachland, ergibt sich daraus
eine luftverkehrsmäßige Beeinträchtigung.
Das Bild mitteleuropäischer Kaltluftkissen weicht von dem mittleren Isothermenverlauf der Jahreszeit insofern
ab, als das Ostseegebiet und Ostpreußen zu warm, Frankreich dagegen zu kalt sind. Die deutsche Ostseeküste bezieht
in solchen, gar nicht so seltenen Wetterlagen die Kaltluft mit Südwinden. Da auch, wie wir sehen werden, an der
Ostseeküste die Südostwinde sehr kalt zu sein pflegen, und andererseits die Ostsee auf die Nordostwinde mildernden
Einfluß ausübt (Koppen, 1958), besteht daher clic populär unter der Küstenbevölkerung herrschende Ansicht, daß
dort die größte Kälte aus Süden komme, zu vollem Recht. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhänge, daß Süd
bayern, wie es z. B. aus der Monatsübersicht der Bayrischen Landeswetterwarte für Februar 1950 hervorgeht, sehr
wohl den Kältepol ganz Europas besitzen kann, nämlich bei einem gut ausgeprägten C-KE. Aber schon bei einem
SO-KE, der den Kältepol oftmals nur wenig ostwärts verlagert zeigt (in Oberschlesien und Südpolen), ist Südbayern
bereits föhnig erwärmt.
Zu de r von Nord west nach S ii d o s t durch Mitteleuropa verlaufenden
Kaltluftgrenzlinie kommt, es oft bei SO-KE. Für deren Erscheinungsbild ist es
wesentlich, ob in Südosteuropa eine durch die Ausstrahlung über der Schneedecke stets er
neuerte Kaltluftmasse lagert. Tiefer Druck über den Britischen Inseln läßt vor cler Front der
über Frankreich und Siidwestdeutschland vordringenden Warmluft mit südöstlichen Winden
kalte Festlandsluft Vordringen. Dieses Auftreten cler Kaltluft vollzieht sich allmählich, je nach
dem Anwachsen des Gradienten und der Ortsverlagerung des Tiefs. Wie der Kampf zwischen
der angesaugten Kaltluft und der vordringenden Warmluft ausläuft, hängt ganz und gar von
den Luftdruckverhältnissen ab. Besteht nämlich außer dem britischen Tief noch im Nordosten
Europas ein kräftiges Hoch, so pflegt sich entlang der Elbelinie jene außerordentlich wetter
wirksame Grenzzone zu entwickeln, die wir schon mehrfach genannt haben. Diese Grenzzone