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Full text: 60, 1940

Joachim Bliithgen : Geographie der winterlichen Kaltlufteinbrüche in Europa. 
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entnehmen wir auch, daß die Eigenschaften der von v. Ficke r sowie von G ö 11 e s lierausgesdiälten KE-Tvpen be 
deutend voneinander abweichen, obwohl die riesige Landmasse Rußlands jede zugefiilirte Kaltluftmasse automatisch 
kontinentalisiert. Namentlich die Untersuchungen Gölles’ haben gelehrt, daß trotz dieses Kontinentaliserungsvor- 
ganges die KE in einem so extrem weit vom Kaltluftursprungsgebiet entfernten Lande wie dem zirkumkaspischen 
ihren prinzipiellen Unterschied behalten. Hier bewirken nämlich KE aus NO die größte Temperatursenkung, es 
folgen solche aus N und am wenigsten ausgeprägt, jedoch am häufigsten, soldie aus NW. 
Nun liegt der Kaspi-See bereits weit außerhalb unseres Bereichs, und es ist daher kaum 
zweckmäßig, eine direkte Korrelation mit den Ergebnissen vorliegender Statistik vorzunehmen. 
Schon Multanowsky (1924) hatte feststeilen können, daß die Nordoststürme des Schwarzen 
Meeres die Scheide zwischen europäischem Wechselklima und asiatischem Monsunklima bilden. 
Die Häufigkeit von Hochdruckgebieten über der Ukraine, welche wir sozusagen als den öst 
lichen Ast der W oeikof sehen Kontinentalachse identifizieren können, verbietet uns natürlich, 
direkte Beziehungen zwischen den Strömungsbildern unseres Teilbereichs und etwa des Kaspi- 
raumes zu suchen. Wesentlich für uns bleibt jedoch vergleichsweise das geschilderte verschie 
denartige Verhalten der drei KE-Typen, ferner die nachgewiesene Seichtheit nordöstlicher KE, 
welche wir auch in unserem Bereich zeitweise feststellen, das seltene Übersteigen cles Kaukasus 
und der erheblich mildernde Effekt der Seefläche cles Kaspi (sofern sie nicht zugefroren ist). 
Wir hatten an anderer Stelle (S. 54 f.) den ganz ähnlichen mildernden Effekt der südlichen Ost 
see bei NO-KE erwähnt. 
Unmittelbar wichtig für uns ist dagegen Fickers Untersuchung an einigen typischen Bei 
spielen aus Nordrufiland. Wir können absehen von dem seltenen und für uns sicher nicht mehr 
in Betracht kommenden Typ a mit allseitiger Ausbreitung der Kaltluft aus einer asiatischen 
Quelle. Dagegen bringen clie KE cles Typ b, die ihre Quelle im Eismeer bzw. an der Obmündung 
haben, für Europa, und cla natürlich in erster Linie für unseren Nordostteilraum, clie bekannten 
heftigen Nordostvorstöße. Dabei handelt es sich nicht einmal um den Hauptast: dieser biegt viel 
mehr ostwärts nach Zentral- und Ostasien ab (vgl. Hände, 1931, und Li, 1935, 1936). sondern 
um die charakteristische (in der Strömungsrichtung gesehen) rechte Abzweigung nach Westen. Der 
Ostast gelangt in Gebiete mit an sich bereits tiefer Strahlungstemperatur, verursacht also nicht 
so fühlbare Temperatursprünge; der AVestast dagegen strömt in Gebiete höherer Normaltempe 
ratur, dort kräftigen Temperaturfall bedingend. Obschon die eigentliche Quelle dieser KE nach 
v. Ficker also das Eismeer bzw. dessen Randgebiete sind, erscheint die Luft bei uns nach dem 
langen kontinentalen Weg als festländisch. Ihre anfangs vielfach noch recht beträchtliche Mäch 
tigkeit gemahnt allerdings noch an ihren außerkontinentalen Ursprung. 
Diese Kaltluft, weldie mit einem Teil cler NO-KE unserer Statistik identisch ist. besitzt in 
Finnland noch am ehesten polare Merkmale. Ohne orographisches Hindernis trifft sie ziemlich 
gleichzeitig im ganzen NO-Raum ein. Der Finnische Meerbusen, der in diesen Raum hineinragt, 
erhält sodann kräftige Vereisungslagen. Die Eisbedeckung wächst sodann rasch von Osten nach 
Westen, da clie kalten AVinde ablandig sind (Blüthgen, 1938 [b]). Wenn die Kaltluft dagegen 
schon aus dem Barentsmeer kommt, oder wenn Luftkörperreste von dort in die Strömung ein 
gebettet sind, was leicht Vorkommen kann, bilden sich Schneestürme aus, die dann besonders 
vereisungsfördernd sind. Bei diesem KE-Typ ist die Grenze gegen Skandinavien besonders 
fließend, und wir haben daher im Abschnitt D 3 mehrfach bereits clie Verhältnisse für Finnland 
berührt: denn bei den NO-KE ist die (vielfach nur vorbereitende) Zufuhr von Polarluft und 
clie verbreitete Strahlungskälte für ganz Nordeuropa kennzeichnend, nicht nur für Finnland. 
Der Nordostraum ist zwar meist nicht das Heimatgebiet, jedoch das am häufigsten 
von NO-KE betroffene im Verhältnis zu den anderen Teilräumen des Untersuchungs 
bereichs (mit Ausnahme von Lappland). Es besteht aber ein Unterschied in der Größe cles mit 
dem NO-KE einhergehenden Temperatur Sprunges, cler im Norden geringer ist als im Süden. 
Die Aclvektivtemperatur eines NO-KE ist in der Regel auf cler ganzen Frontbreite ziemlich 
gleichmäßig und lediglich nach cler Tiefe zu gestaffelt. Nun verlaufen aber die mittleren Januar- 
isothermen von NW nach SO, Finnland ist also im Mittel kälter als Polen. Bei einer im Norden 
und Süden gleichen Advektivtemperatur eines von Osten kommenden KE wird also cler Tempe 
ratursprung im Süden, also in Polen, größer ausfallen als in Finnland, wo clie Wahrscheinlich
	        
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