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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 60. Band. Nr. 6/7.
ausgebreitete polare Kaltluft, der nun der Zutritt nadi Nordeuropa erleichtert ist. Die Er
wärmung Lapplands erfolgt daher fast ausschließlich auf dem [nso-
lationswege, nicht advektiv. Übersetzt in die Sprache der Isobarenmeteorologie
bedeutet das, wenn wir hier Sch edler (1924) folgen, daß diese großartige atmosphärische
Umschaltung in folgenden Veränderungen der Luftdruckgebilde und ihrer Häufigkeit zum Aus
druck kommt. Die Fig. 90, welche wir Schedler entnehmen und einen Ansschnitt aus seiner
Karte darstellt, zeigt die mittlere monatliche Zahl derjenigen Tiefdruckgebiete für das Früh
jahr, welche einen Minimaldruck von weniger als 750 mm aufweisen. In die Karte sind gleich
zeitig eingetragen die Zeichen der Zu- bzw. Abnahme dieser Häufigkeit gegenüber den Winter
zahlen. Das heißt also, daß die Zyklonentätigkeit westlich von Norwegen und über dem Weißen
Meer sowie über dem Mittelmeer auflebt. Dadurch werden vermehrte Rückseitenkaltluftströme
nach Skandinavien und von dort weiter nach Südwesteuropa (mit NO-Winden also!) bedingt;
denn die vom Kolatief nach Nordeuropa geschaffte Eismeerluft gelangt über der südlichen Ost
see allmählich in das Einzugsbereich des Mittelmeerzyklonenzentrums. Außerdem fördert die
Vermehrung der Tiefs westlich von Norwegen den Kaltluftzufluß von Island her, der aber
meistens in Westeuropa stecken bleibt bzw. durch den. anderen Kaltluftstrom (Nordeuropa—
Mittel europa—Südeuropa) verdrängt wird.
Fig. 90. Häufigkeit der Minima von weniger als 750mm Zentraldruck im Frühling (nach Schedler, 1924) und ihre
Zunahme (+) bzw. Abnahme (—) gegenüber dem Winter. Die Isolinien geben die durchsehnittl. Anzahl im Monat an.
4. Der Nordostraum.
Der Nordostraum innerhalb unseres Arbeitsgebietes umfaßt den Streifen von
Finnland über das Baltikum bis O s t p o 1 e n. Die östliche Grenze des Unter
suchungsgebietes bildet keineswegs die natürliche Begrenzung dieses Teilraumes nach
Osten hin, vielmehr ist das hier mitbehandelte Stück nur ein wahrscheinlich kleiner Teil, wäh
rend der größere Teil außerhalb unseres Bereichs in Rußland liegt. Seine dortige Begrenzung
anzugeben ist hier nicht möglich und nicht notwendig. Sicher aber haben wir es, verglichen mit
den übrigen Teilräumen, hierbei mit dem größten Teilgebiet zu tun, das hinsichtlich des Kalt
luftcharakters als einheitlich zu betrachten ist.
Schon die Arbeiten H. v. Ficker s (1910 [a] [b], 1911,1919,1921 [a], 1923), W a g e in a n n s (1930) und G ö i 1 es'
(1922) haben gezeigt, daß Rußland bis weit nach Sibirien hinein im Winter von mehreren KE-Tvpen betroffen wird.
Wir können das auch den Arbeiten von Tichomiro w (1957) und Mnllaaowsky (1924) entnehmen. Die extrem
kalte, aber seichte Luft Nordostsibiriens beherbergt zwar den bekannten Kältepol um Werchojansk—Oimekon; dieses
nordostsibirische Kältereservoir bildet aber nicht das Quellgebiet der nach Rußland vordringenden KE, sondern das
Eismeer bei Nowaja Semlja—Karisc-hes Meer und das Tiefland der Obmiindung. Aus den zuerst genannten Arbeiten