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Full text: 60, 1940

Joachim Blü tilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbriiche in Europa. J 37 
so gedeutet werden. Richtiger wird aber vermutlich die Erklärung sein, die die extrem kalte, stilliegende inner- 
lappisdie Luft als eine dünne Bodenschicht auffaßt, die bei geringfügiger Luftbewegung zur Mischung mit der etwas 
wärmeren darüberliegenden gebracht wird, ohne daß diese letztere einem anderen, milderen Luftkörper anzugehören 
braucht. Diese Erscheinung kennen wir von allen arktischen Beobachtungen her (Sverdrup, 1925, 1926), wo jedes Auf- 
frischen innerhalb einer bisher ruhigen, kalten Luft zu Temperaturanstieg führt, gleichgültig, woher die Luft 
bewegung kommt. 
Bei einer Verstärkung des Hochdrucks über Finnland und Lappland kommt es jedoch zu 
einem aktiven Überfliefien der lappländischen K a 111 u f t zum Eismeer hin. 
Die Bewölkung ist allenthalben gering, und die Temperatur sinkt auch an der Küste stärker ab. 
Diesen Fall erläutert das Beispiel des KE vom 18. Dezember 1930 (Fig. 81). Es ist das Kenn- 
zeicheu einer rein kontinentalen Wetterlage des Hoch winters. Im Frühjahr gilt die Regel der 
Südwinde als der kältesten nicht mehr; es kommt dann nämlich zu dem Umschlagspunkt, an 
dem die Nordwinde infolge des polaren Temperaturganges über dem Eismeer und der Einstrah 
lung über dem südlicher gelegenen Lappland kälter werden als die Südwinde, und zwar relativ 
stärker zu diesem Zeitpunkt als später, wenn die Erwärmung langsam auch das Eismeer selbst 
ergreift. Wie bei Fig. 80 sehen wir auch hier wieder Windstille im Inneren, schwach westliche 
Winde in Inari und nördliche bis nordöstliche um den Bottenbusen herum. Aber an der Eis 
meerküste herrschen nun ablandige Winde. Die westlichen Winde in Inari sind diesmal also 
nicht Ablenkung infolge Stau, sondern Beginn divergenter Luftbewegung. Das Zentrum bildet 
auch diesmal wieder Sodankylä mit —24°. Die flache Erhebung der Saariselkä-Wasserscheide 
mag wie erwähnt zur Ausbildung des Kältezentrums, das auch im langjährigen Mittel, wie mir 
Einheimische berichteten, unmittelbar südlich cles Säariselkä in den weiten, flachen Moorebenen 
von Vuotso, Luirojärvi undLokka liegt, etwas beitragen. Dann hätten wir die Neigung zu west 
lichen Winden in Inari nicht nur als Ablenkung vor dem Kaltluftblock, sondern auch rein oro- 
graphisch als eine durch den Saariselkäzug veranlaßte schwache Umbiegung zu betrachten. 
Beide Ursachen wirken jedenfalls gleichsinnig. 
Ein ähnliches Abfliefien kontinentaler Kaltluft tritt an der Eismeerküste dann ein, wenn bei 
langsamer Annäherung eines kräftigen und umfangreichen atlantischen Wirbels vor der Warm 
front bei fallendem oder gleichbleibendem Luftdruck in Nordosteuropa sich ein p r ä f r ontaler 
Südoststrom entwickelt (Fig. 82). Die oftmals dann vom Balkan bis hinauf zum Eismeer herr 
schende Südostströmung transportiert auf der ganzen Strecke aus den kontinentalen Kaltluft 
reservoiren trockene Festlandskaltluft nach Nordwesten und Norden. Im Inneren Lapplands 
bildet sidi dann kein ruhender Kaltluftblock, sondern es wird gleichmäßig überweht. Es ist 
dabei relativ belanglos, ob die Winde an der Eismeerküste selbst in solche mit östlicher Kom 
ponente übergehen oder in soldie mit westlidier (beim Vorhandensein eines Tiefdruckausläufers 
über der Barentssee). Maßgebend ist ja hier nur die südöstliche Herkunft der Kaltluft. Der 
Frost wird naturgemäß im einzelnen während des Transports durch die lokalen Strahlungsver 
hältnisse modifiziert, im großen und ganzen bringt er jedoch als Advektivfrost in Lappland 
selbst nicht die tiefen Temperaturen hervor wie beim Vorhandensein eines ruhenden Kaltluft 
kissens. Das ist ein wichtiger Unterschied zu den übrigen Randländern der Ostsee, insbesondere 
den östlichen, deren tiefste Temperaturen durchaus bei Südostwinden auftreten können. In 
solchen Fällen vermag nämlich die Ostsee selbst beim Überqueren der Winde stark mildernd 
auf diese einwirken, eine Milderung, die an der südostschwedischen Küste fühlbar ist, jedodi 
danach bald wieder „kontinentalisiert" wird, indem die Temperatur trotz Annäherung an die 
Zyklonalfront vorübergehend wieder absinkt. 
Als Beleg hierfür wählen wir den SO-KE vom 28. Dezember 1930 und stellen daraus (Fig. 82) einige Profile zu 
sammen, die von der atlantischen Küste siidostwärts in der Gegenrichtung des Windes verlaufen: 
Ingö —4°, Inari — 14°*, Sodankylä — 10°, Haparanda — 15°, Kajaani —26°, Kuopio —25°; 
Nordöyan +0°, Östersund —6°, Stockholm —1° (Erwärmung durch Ostsee!), Riga —20°, Dünaburg —27°; 
Svand —8°, Färder —0°, Karlstad —3°*, Kalmar— 1°, Königsberg —15°. 
Die Luftdrudeverhältnisse bei diesem charakteristischen Fall zeigen ein ausgedehntes atlantisches Tiefdrucksystem 
(Färöer 720 mm) und ein ausgedehntes mittelrussisches Hoch (über 770 mm) mit nordsüdlichen Isobaren von Böhmen 
bis Lappland. 
Die intensive Kaltluftbildung wird audi noch bei einer anderen Wetterlage deutlich, die einen kräftigen Warm 
luftvorstoß zum Eismeer darstellt (Fig. 83, 8. Januar 1931). Stürmische Südwestwinde bringen zu dieser Jahreszeit
	        
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