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Joachim B Hi tilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbrüche in Europa.
nach dem Sommer hin sogar noch zunimmt nur mit allmählich höheren Temperaturen, haben
wir ja schon betont.
Bei einer Besprechung des lappländischen Winters, der, wie wir sahen, mannigfache Zu
sammenhänge mit arktischem Klima besitzt, ist es angebracht, kurz auf den für größere Teile
der Arktis gültigen sogenannten kernlosen Winter einzugehen. Er ist gekennzeichnet durch
eine ausgeprägte Schwankung der zeitlichen Lage des Minimums der Temperatur während der
Hochwintermonate. oft sogar so ausgeprägt, daß eine Zweiteilung eintritt, dergestalt, daß die
Mitteltemperatur des Januar höher als die des Dezember und Februar ist. Kunze (1933) führt
dieses wohl mit Recht auf die verstärkte Zyklonentätigkeit dieses Monats zurück, welche die Zu
fuhr warmer Luft ins Polarbecken erhöht. Der negative Beweis dafür ist die gleichzeitige Er
höhung der Zahl kurzfristiger NW-KE über Island. Die küstennahen, stark unter zyklonalem
Einfluß stehenden Bereiche Nordskandinaviens werden ebenfalls in schwachem Maße von einer
Variabilität in der Lage des Minimums betroffen, nicht aber das Innere.
Nachdem wir die Grundzüge des skandinavischen Winters in bezug auf Kaltluftbildung und
Kaltlufttransport kennengelernt haben, sei das Gesagte an Hand von charakteristischen
Einzelfällen der verschiedenen beteiligten KE-Typen besprochen.
Wir beginnen mit den Fällen, in denen maritime P o 1 a r 1 u f t nach Skandinavien
vorged r unge n ist, und die für den Einsatz des Winters charakteristisch sind. Hierbei kommt
es vor. daß ganz Skandinavien von Nordwestluft überflutet wird. Es ist dies, wie wir bereits
betonten, eine Folge eines kräftigen Luftdruckgradienten zu dem Kolatief hin. Als Beispiel
führen wir clen NW-KE vom 12. November 1930 an. der rasch von Island ostwärts sich verlagernd
auf Skandinavien übertrat (Fig. 7 und 79).
Ein langgestrecktes Tiefdruckgebiet zieht sich vom Barentsmeer bis nach Ostpolen, während von dem west-
französischen Hoch ein Keil bis vor die norwegische Küste reicht. Von Nordnorwegen bis nach Polen wehen WNW-
bis NNW-Winde. Entlang dem Kjöl fällt Niederschlag, und an der norwegischen Küste liegen die Temperaturen
durchweg- 2—4° über dem Frostpunkt. Am Ostfuß des Gebirges jedoch herrscht heiteres bis wolkenloses Wetter mit
Frost bis — 6°. Die 0°-lsotlierme (Fig. 78) umfährt das Ostseegebiet und verläuft im Baltikum stärker landeinwärts
infolge auflandiger Ostseewinde, die eine vorübergehende luvseitige Erwärmung bedingen. Dagegen überschreitet das
Aufheiterungsgebiet (Fig. 79) die nördliche Ostsee. Ein in der Windrichtung verlaufendes Temperaturprofil ergibt
Fig. 78. NW-KE vom 12. November i950 Fig. 79. NW-KE vom 12. November 1930. Isobaren und
(nach Bad. Wetterbericht). Anfheiterungsfeld, 0°-lsotherme (nach Bad. Wetterber.).
folgendes Bild: Rost (Lofot) +2°, Stensele (Kjöl-Ostfuß) —4°, Härnösand (Bottenseeküste) +1°, Älancl + 3°,
Filsand (Ösel) +6°, Riga +2°, Kowno — 1°. Wir erkennen daraus folgende Kennzeidien. Die maritimpolare Kalt-
luft gelangt mit positiven Temperaturen an die norwegische Küste, wird zum Überqueren des Gebirges gezwungen,
wobei es zu Niederschlägen kommt (Linke und Dinies, 1930). Unmittelbar östlich davon am Gebirgsfuße jedoch
muß sie absteigen. Dies führt zu starker Aufheiterung, die sogar noch jenseits des Bottnischen Meerbusens spürbar
ist. In dieser dynamisch erzwungenen Aufheiterungszone bedingt die Ausstrahlung im November in diesen Breiten
innerhalb eines polaren Luftkörpers Frost. Der theoretisch zu erwartende föhnartige Erwärmungseffekt wird von dem