Joachim ßiüthgeit: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbrtiche in Europa.
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KE in Frage, aber sie klingen (vgl. Fig. 47) schon Anfang März ab, während die Nsk über Lapp
land noch lange im Gange bleiben und sogar in der ersten Maihälfte einen Höchstwert erreichen.
Über die Eisheiligen (Ice Saints, Saints de glace, lune rousse, Pan Serboni (Böhmen];
vgl. Tal man, 1921) gibt es nahezu ebenso viele Schriften wie über den denkwürdigen Winter
1928/29. Schon vor Einsetzen der wissenschaftlichen Meteorologie befaßte man sich mit ihnen,
weil sie in der Landmannspraxis eine bedeutende Rolle spielen. Als erster hat sich wohl D o v e
(1857) wissenschaftlich mit ihnen ausführlicher beschäftigt und ihre Herkunft darzulegen versucht.
In blumiger Ausdrucksweise schreibt er (S. 192): „Die gestrengen Herrn sind die letzten leidigen
Triumphe der Reaction des sich überlebt habenden Winters in dem fröhlidi und unaufhaltsam sich
entwickelnden Leben der Vegetation.“ Nach ihm haben sich von Bezolcl (1883), Aßmann (1885)
und Müttricli (1898) mit diesem Problem beschäftigt. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist
nicht eindeutig, auch nicht für ein bestimmtes Teilgebiet. Die Maikälte scheint viel weniger an ein
bestimmtes Datum gebunden zu sein als die Schafkälte Anfang Juni. Auch ist die Streuung in
den einzelnen Perioden verschieden, was früher zutraf, hat in den letzten Dezennien einem
unsicheren Auftreten weichen müssen (vgl. Beyerlein, 1929). Wir können aber, in Überein
stimmung mit den Ergebnissen unserer KE-Statistik, und in Übereinstimmung mit den Ergeb
nissen Aßmanns (1885) zitieren, was Umlauft (1891) schrieb (S. 360): „Während Dove die
»gestrengen Herren« nach seiner Erklärung als »geborene Amerikaner« bezeidmete, nennt sie
v. B e z o 1 d geborene Ungarn (— weil nämlich nach v. B. die kräftige Erwärmung der ungari
schen Tiefebene die Kaltluft ansauge —); dies ist jedoch, wie v. Bebber ganz richtig hervor
hebt, nidit bezeichnend, sie müssen vielmehr geborene Schweden genannt werden, da der kalte
Luftstrom meist von Skandinavien herkommt.“ Diese schon von Aß mann nachdrücklich her
vorgekehrte Herkunft der Maikälte kann sich nur mit Nsk-KE unserer Gliederung decken, und
dies ist, wie wir sahen, bei näherer Betrachtung der Häufigkeitskurve der Nslc-KE auch der Fall.
NW-KE kommen daneben viel seltener vor, insbesondere so weit südostwärts (vgl. Bacsö,
1939). Das bei Schottland entwickelte Hoch verhindert geradezu die Zufuhr von KL von Island
herab, sondern leitet sie Liber Skandinavien. Wie schon einmal betont, kann diese ursprünglich
nordeuropäisch-polare Kaltluft über Mitteleuropa dann sekundär durch Einfluß südosteuro
päischer Zyklonen in eine nordwestliche Luftströmung umgebogen werden, deren Herkunft des
wegen aber nach wie vor nördlich von Skandinavien liegt, und nicht bei Island—Grönland. Die
Fortpflanzungsrichtung der Maikälte von Nordosten nach Südwesten einerseits und abzweigend
nach Südosten andererseits hat schon Aßmann mit aller wünschenswerten Klarheit dargelegt.
der wir hier nichts Neues hinzuzufügen brauchen, als eben die Zuordnung der Maikälte zu
einem unserer KE-Typen.
Im mittleren Ring der Fig. 73 sind die KE, die einzelne Witterungsabschnitte kennzeichnen,
gesondert abgetragen. Der hier als Winter im weitesten Sinne gefaßte Zeitraum umfaßt die Zeit von
Mitte September bis Anfang Juni und deckt sich mit der von Schmauß an Hand von Luft
drucktagesmitteln errechneten Periode auflebender und abklingender Zirkulation zwischen dem
29. September und dem 6. Juni. Der zwischen beiden Terminen liegende Sommer ist die Zeit,
welche sich in der Tagesmittelkurve des ganzen Jahres durch die beiden „Verwerfungen“ der
Schafkälte und des Altweibersommers begrenzen läßt. Unsere KE-Typen greifen nur selten
über diese Zeitpunkte hinweg. Trotz der willkürlich erscheinenden thermischen absoluten Ab
grenzung des KE-Begriffs deckt sich die dadurch zustande gebrachte Zeit des Auftretens also mit
einem meteorologisch unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu stellenden Jahresabschnitt 39 ).
38 ) Nach Fertigstellung dieses Kapitels bekomme ich den Arifsatz von K. Goetze über Einzelheiten im Jahres
verlauf der Witterung (1939) in die Hand. Die darin besprochenen Singularitäten, insbesondere ihre kalendermäßige
Ordnung (S. 305—304), sind in ähnlicher Weise beurteilt und in einer mit der unsrigen ziemlich genau übereinstim
menden Reihenfolge geordnet. Auf diese interessante Parallelarbeit in dieser Fragestellung sei daher hiermit hin
gewiesen.