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Full text: 60, 1940

Joachim Blüthgens Geographie der winterlichen Kaltlufteinbrüdie in Europa. 
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Dieser ungewöhnlich weit reichende NO-KE erlitt um den 20. Dezember seine erste Schwächung, indem er von 
Süden her durch Mittelmeerwarmluft zunächst in der Höhe angegriffen wurde. Es ist bezeichnend, daß nicht nur 
dieser Angriff aus SO, sondern noch mehrere in der Folgezeit von Westen her einsetzende abgeschlagen wurden, 
bevor am 6- Januar endlich die milde Südwestluft sich restlos durchsetzte. 
Entwickelte sich der soeben geschilderte NO-KE durch allmähliche Drehung der Winde 
von S über SO nach O, so ist inr allgemeinen dodi ein deutlicher Windsprung mit dem Ein 
treffen der NO-KE verbunden und dafür charakteristisch. Das Beispiel des 10./11. Dezember 
1931 zeigt den in Mitteleuropa mit Winclsprung und Temperaturspr ung bis zu 10° verbundenen 
NO-KE (Fig. 19). cler ausgelöst wurde durch Druckanstieg im Ostseegebiet und Druckfall in 
Südeuropa. Auf die Bedeutung des ersteren weist v. Ficker (1938, S. 12) nachdrücklich hin 
(vgl. auch derselbe 1926 [cj). 
Es ist ein Zeichen für die selbständige antizyklonale Aktivität cler vordringenden KL, daß 
die Windrichtung ohne Drehung im oder gegen den Uhrzeigersinn umspringt. Das Umspringen 
kann sich, wie ich selbst hin und wieder beobachten konnte, sogar in weniger als einer Stunde 
vollziehen unter Zwischenschaltung einer wenige Minuten währenden Windstille. Das eine 
solche Erscheinung kontinental und antizyklonal gebunden ist, geht auch aus van Bebbers 
Angaben (1890, S. 291) hervor, wenn er sagt: „Der Winkel, welchen die Windrichtung mit dem 
Gradienten bildet, ist auf dem Meere größer als auf dem Lande, größer in cler wärmeren Jahres 
zeit als in der kälteren, größer in den Zyklonen als in den Antizyklonen, größer auf der Rück 
seite und kleiner auf cler Vorderseite der Zyklonen. 4 ' (Vgl. hierzu auch Polis, 1899.) 
Der Temperatursprung ist zwar körperlich fühlbar, da mit ihm ja ein von dem bisherigen 
abweichender Luftkörper eintrifft, jedoch beträgt er zunächst nur wenige Grad, um dann lang 
sam weiter anzuwachsen. Das tägliche Maximum wird in diesen Fällen mitunter vollkommen 
unterdrückt, da die dichte Wolkendecke die im Hochwinter ohnehin geringe Insolation auffängt 
(vgl. die oben mitgeteilten Temperaturbeobachtungen vom 13. Dezember 1938). Bemerkenswert 
ist dabei die konstante, aber recht geringe Windstärke. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
eines NO-KE ist daher auch meist nicht groß und cler von NW-KE bei weitem unterlegen. 20 ) 
Eine auffällige Grenze für die Ausdehnung schwächer entwickelter NO-KE bildet das 
Gebiet zwischen Elbe und Oder. Hier kommt die vorrückende KL vor den Fronten der atlan 
tischen Zyklonen zum Stehen und schwankt nur unbedeutend hin und her. Wie schon erwähnt 
ist Schneefall trotz cler starken Bewölkung bei echten NO-KE nicht häufig. Allenfalls reicht 
die über cler Ostsee aufgenommene Feuchte aus, um den südlichen und westlichen Küsten 
strichen meist spärlichen Schneefall und Milderung des Advektivfrostes zu verschaffen (vgl. das 
Beispiel S. 34). Ähnliches berichtet Will et t (1933, S. 22) von der Ostküste des Michigan- 
Sees bei KE aus Kanada. Es kommt daher vor, daß mit dem Vordringen der KL infolge un 
mittelbar vorangegangener Regenfälle milderer Luftmassen urplötzliches Frosterstarren und 
damit starke Bodenglätte eintritt, einfach weil das Nieclerschlagswasser noch nicht Zeit ge 
funden hat, einzusickern oder zu verdunsten. Kräftige Eisnadeln sind daher an der Ober 
fläche des zuvor nassen Erdbodens erkennbar, zwischen denen das Wasser jedoch schnell 
weiter verdunsten konnte, bevor auch dieses gefror. Dieses Phänomen eines Eisnetzes erfordert 
ganz besondere Umstände zu seiner Entstehung und darf keineswegs mit Glatteis verwechselt 
werden, denn Glatteis ist nur im Bereich vordringencler Warmfronten über eine restliche 
Bodenkaltlufthaut möglich. 
• Mit dem Anhalten von Nordostluftzufuhr ist fast stets ein weiteres Anziehen des 
Frostes verbunden, ein Merkmal, das der schwankenden, aber im Durchschnitt doch nur 
wenig- sinkenden Temperatur innerhalb von NW-KE (d. h. hinter der Böenfront) klar gegen- 
iibersteht. Das weitere Absinken der Temperatur beruht allerdings in zunehmendem Maße auf 
den Wirkungen der Ausstrahlung an Ort und Stelle. Je kontinentalere Luftmassen eintreffen, 
um so trockener sind sie. so daß die Stratusdecke der Vorderfront mehr und mehr aufreifit. 
unterstützt durch Druckanstieg und stärkere Absinkungstendenz. 
23 ) Im Anfangsstadium in Nordrußland kann die Stirn des KE (nach Exil er, 1911) allerdings mit 150 km/h 
vorstofien hei einer Mächtigkeit von 2600 m.
	        
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