Josef Marner: Die klimatischen Bedingungen für die Siedlung von Nordeuropäern in den Tropen.
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Die mittleren monatlichen Minima sind zwar im Laufe des Jahres wenig veränderlich, die Maxima
dagegen schwanken stärker und erreichen ihre größten Beträge in wolkenarmen Monaten. Der Übergang
der Monate mit kleiner zu denen mit großer Tagesschwankung geschieht plötjlich und fällt mit dem Wind
wechsel zusammen. Im April 1899 betrug z. B. vom I. bis 21. das mittlere monatliche Maximum 23,5° und
das Minimum 12,5°, die Schwankung demgemäß 11°. Vom 22. April bis zum 13. Mai war das mittlere
Maximum 18,5° und das Minimum 13,7°, die Schwankung also nur 4,8 L .
Der Jahresverlauf von Wind und Temperatur ist demgemäß etwa folgender: Der Kampf der nördlichen
und südlichen Winde um die Vorherrschaft wird im Mai zugunsten der Südwinde entschieden. Es entwickelt
sich eine kräftige Regenzeit, wobei die Maximum-Temperaturen sinken, die Minima steigen, die Schwankung
also gering wird. Bis August herrschen die südlichen Winde vor. Im September tritt wieder die Nord
komponente in Erscheinung. Wir finden demgemäß sofort Temperaturschwankungen von 10 bis 11° und
manchmal sogar von 13 bis 14°.
Die geringe Temperaturhöhe läßt keine Schwüle aufkommen. Das ganze Klimagramm von Kwai liegt
außerhalb des Schwülebereichs. Die mittleren Abkühlungsgrößen fast aller Monate sind größer als 10. Ganz
West-Usambara, das zum größten Teil in 1200 bis 1600 m Höhe liegt, muß als klimatisch gesund bezeichnet
werden. Die Nächte lassen stets erquickenden Schlaf zu, und körperliche Arbeit ist nach vielen Berichten
wie in Deutschland möglich. Doch sei darauf hingewiesen, daß die Sonnenstrahlung eine beträchtliche
Wirkung haben kann. An klaren, heißen Tagen sind in Kwai Strahlungs- (Schwarzkugel-) Temperaturen bis
über 59° gemessen worden. Der Tropenhut ist dann unerläßlich.
Über die klimatischen Verhältnisse der Pangani-Senke geben die Beobachtungen von Buiko
und M a z i n d e Auskunft. Beide Stationen liegen am Südwestfuß von Usambara in 500 bis 600 m Höhe.
Die Luftfeuchte kann dort beträchtlich sinken, und der Niederschlag ist viel geringer als in höheren Lagen.
Die täglichen Temperaturen schwanken infolgedessen das ganze Jahr hindurch um größere Beträge. Die
Schwankung ist im Mai und Juni am geringsten (Übersicht 12):
Übersicht 12.
Tägliche unperiodische Temperatur-Schwankungen in Mazinde.
Monat
mittlere
größte
kleinste
i.
15.4°
18.0°
11.9°
ii.
15.1
18.7
10.5
in.
14.0
18.7
7.3
IV.
11.0
15.8
6.4
V.
6.1
9.8
2.3
VI.
8.3
9.9
7.0
VII.
10.4
12.8
6.7
VIII.
10.6
13.5
5.6
IX.
11.1
13.7
5.5
Die großen Unterschiede von Temperatur und Feuchte im Jahresverlauf treten deutlich im Klimagramm
von Buiko zutage, das weit auseinandergezogen ist. Fünf Monate liegen in der Behaglichkeitszone, sieben
im Schwülebereich. Dasselbe Verhältnis spiegelt sich in den Abkühlungsgrößen wieder.
Der größte Teil West-Usambaras und ein kleiner Teil von Ost-Usambara wäre nach obiger Ausführung
als klimatisch günstig für den Nordeuropäer zu bezeichnen. In Höhen über 1000 m und vor allem von
1200 m ab ist das Klima gesund. Der größte Nachteil liegt in tieferen Lagen in der auftretenden Schwüle,
wozu noch ein recht gleichmäßiger jährlicher Temperaturverlauf tritt, vor allem in küstennahen Gebieten
Ost-Usambaras und an den Südosthängen. Selbst die tägliche Schwankung ist dort in allen Monaten nahezu
gleich. Nach Nordwesten hin weisen trockenere Gebiete stärkere nächtliche Abkühlung, mithin auch größere
tägliche Schwankungen auf, was in manchen Monaten an schwülen Tagen sieh wohltuend auswirkt. Von 1700
bis 2000 m Höhe an treten auch in der Trockenzeit so starke Nebel auf, daß alles vor Nässe trieft. Die
Gebiete über 2000 m dürften infolge der kühlen Feuchte zum Dauersiedeln wenig Anreiz bieten.