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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarle und des Marineobservatoriums. — 60. Band. Nr. 6/7.
Beobachtungsreilien wurden länger, die Mi tt e l w e r t k 1 i m a t o 1 ogie blühte auf: man war
bemüht, das Klima eines Erdstriches in statistischer und analytischer Form für alle durch Beob
achtungen erfaßten Elemente darzustellen. Diese Arbeitsrichtung war ganz gewiß alles andere
als dynamisch: direkte Beiträge zu unserem Thema sind daher aus dieser Zeit nicht zu nennen.
Wohl aber enthält die Vielzahl der Arbeiten jener Epoche, die hier nicht einzeln angeführt
werden können, vielerlei Stoff, der lediglich eine andere methodische Beleuchtung benötigt, um
auch für unsere Zielsetzung verwertbar zu sein. Ich greife in den nachstehenden Abschnitten
nur einige kennzeichnende Beispiele heraus.
Eine besondere Rolle spielte bei einem großen Teile der hierher zu rechnenden Arbeiten
die Verknüpfung mit clen Luftdruckverhältnissen, so daß F1 o h n (1936) direkt von einer
., I s o b a r e n m eteorologie“' spricht. Arbeiten dieser Art, aus denen wir viele Hin
weise zu unserem Thema, wenn auch unausgesprochen, entnehmen können, sind z. B. die
Untersuchungen des unermüdlichen J. van B ebb er. Methodisch sind besonders zwei seiner
Arbeiten wichtig, die mit einem rein praktisch-meteorologischen Ziel vor Augen geschrieben
wurden (1899 und 1901). ß. geht hierin von verschiedenen Luftdrucklagen als Wettertypen aus,
indem er jeder seiner fünf Luftdrucklagen eine bestimmte Witterung zuweist. „Der Witterungs
chaf akter bei clen einzelnen Wettertypen ergibt sich unschw er*, wenn wir die Eigenartigkeit der
sie begleitenden Luftströmungen in Betracht ziehen und dabei clie Jahreszeiten berücksichtigen."
(S. 15. 1899). Man kann diese Sätze auch auf die vorliegende Arbeit in Anwendung bringen, nur
daß B. sie meteorologisch auswertete, während wir ihre räumliche Differenzierung
in den Vordergrund stellen. Betrachten wir clie barometrischen Ursachen der Kaltlufteinbrüche.
so gelangen wir, wie aus Kapitel C6 hervorgehen wird, zu einigen der von van B ebb er auf
gestellten fünf Typen, ln seiner großzügigen, auf räumliche Zusammenhänge meist verzichten
den Monatsstatistik der Typen von 1876—1899 und cler Statistik der Aufeinanderfolge dieser
Typen, ähnlich wie in seinen mit W. Koppen zusammen getätigten Untersuchungen über clie
Isobarentypen des Nordatlantik (1895), beschreitet B. Wege. die. wenn auch mit durchaus
anderer Zielsetzung, denen vorliegender Arbeit ähneln. Auch das Problem der natürlichen
Jahreszeiten (vgl. Kapitel C 10) schneidet van Bebber in seiner Arbeit an. Von der Auffassung
B’s. der clie Lage cler Luftdruckgebilde zugrunde lag. ist es nur ein kleiner Schritt zu cler Auf
fassung von clen Luftmassen, die durch eben diese Luftdruckgebilde gesteuert werden; im Stile
van Bebbers würden wir von dein die Luftdrucklagen begleitenden Witterungscharakter
sprechen. Und sind wir erst bei clen Luftmassen, ihrer Entstehung, Veränderung und Verlage
rung angelangt, so öffnet sich mit einem Schlage der ganze verzweigte Komplex geographischer
Blickrichtung (vgl. Dieckmann. 1938).
Wir können liier nur kurz folgende inluiltlichen Zusammenhänge mit van Bebbers Arbeit (1901) betonen.
Sein Typ I entspricht dem Auftreten von Nordwestluftvorstößen über Nordwesteuropa, und zwar nur solchen, die
hei hohem Druck über England Iris nach Mitteleuropa gelangen. Die große Zahl zyklonaler RückseitenVorstöße Hin
über Island wird davon nicht erfaßt. Typ II bringt im Winter KaltTuftbildung in Mitteleuropa und Ausbreitung von
dort, also entspricht dieser Typ dem unserer C-Lagen. Als ganzjährig auftretende Luftdrucktypen betrachtet, besitzen
diese beiden nach v. B. in der kalten Jahreszeit jedoch ihr Häufigkeitsminimum. Typ III ist verbunden mit den
NordostluitVorstößen nach Mitteleuropa sowie mit der größeren Zahl der lediglich Nordeuropa betreffenden Nordost-
vorstöße. Er reguliert den Kaltluftzufluß nach Skandinavien (von extrem zyklonalen Kaltluftzufuhren abgesehen),
er umfaßt also auch die in dieser Arbeit gesondert behandelten skandinavischen Nordluftvorstöße. Auch hängen von
ihm die Oszillationen innerskandinavischer, autochthoner Kaltluft ab. Die Häufung dieses Luftdrucktyps im Früh
jahr stellt mit der wachsenden Ausdehnung der arktischen Kaltluftproduktion nach Süden zu gegen Ende des mittel
europäischen Winters in Zusammenhang. Typ IV ist fast ganz auf die kalte Jahreszeit beschränkt und umfaßt fast
alle Südostvorstöße und ihre Varianten. Manche dieser Vorstöße sind zwar stark zvklonal, jedoch ist ihnen ein für
diesen Typ charakteristisches Hoch in Südosteuropa voraugegangen oder liegt nunmehr etwas weiter östlich. Typ V
mit südwesteuropäischen Hochdruckgebieten' ist nicht mit besonderen Kultiuftvorstoßtvpeii verbunden, geht jedoch
mitunter in Typ II über.
Aus dieser Epoche cler Klimatologie nennen wir noch zwei weitere Arbeiten, clie sieb eng
mit unseren Fragestellungen berühren. So eilte clie Dynamische Meteorologie von Loomis
(1879), die sieb in cler Hauptsache auf die Beobachtungen amerikanischer Stationen aus den
Jahren nach 1870 stützt, ihrer Zeit weit voraus. In einer Zeit, in cler die Klimatologie durch das
zeitlich und räumlich langsam anwachsende Beobachtungsmaterial immer stärker in clie Lage