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Full text: 60, 1940

Joachim Blüthgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbruche in Europa. 
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B. Einleitung 
I. Methodisches. 
Die vorliegende Untersuchung berührt sich am engsten mit den Arbeiten moderner 
dynamisch-klimatologischer Forschungsrichtung. Bevor wir jedoch auf diese näher eingehen. 
ist es notwendig, die älteren Untersuchungen, die zum Thema selbst oder zur Methode 
beigetragen haben, zu würdigen. 
Unter denen, die am Aufbau der Meteorologie wesentlich gearbeitet haben, ragt Dove 
hervor. Unter Berücksichtigung der damaligen mangelnden synoptischen Grundlage muß die 
dynamische Betrachtungsweise Doves als so bedeutender Fortschritt gewertet werden, daß 
sogar die Bergener Schule im dritten Dezennium unseres Jahrhunderts an seine Gedanken an- 
kniipfte und ihnen mit breiter synoptischer Grundlage sowie mit mathematisch-physikalischen 
Methoden eine solide Basis verschaffte, die mit unserer heutigen Wetterkunde untrennbar ver 
knüpft ist. Wenn also Doves Theorie der Polar- und Äquatorialströme sdion manche 
verblüffenden Berührungen mit den in dieser Arbeit behandelten Luftströmungen besitzt, so 
ist es klar, daß wir diese Berührungen mit Anschauungen der Bergener Schule über die Strö 
mungen im Luftraum in noch viel stärkerer P'orm wiederfinden. Es fehlten Dove, wie gesagt, 
die geeigneten Voraussetzungen zu einem Ausbau seiner Idee, aber die Konzeption war da, und 
von ihr spannt sich clie Brücke über nahezu ein Jahrhundert. Im Vergleich zu cler differen 
zierten Darstellung der Kaltluftvorstöße, welche in der vorliegenden Arbeit angewandt werden 
muß, erscheint selbstverständlich Doves erste tastende, großzügige Einteilung cler Luftströ 
mungen nur mehr als vornehmlich historisch interessant. Die Entwicklung einer Methode, wie 
sie clie vorliegende Arbeit verfolgt, setzt gewissermaßen bei Do ve an. Es sei aber gleichzeitig 
vermerkt, daß Dove in einem Punkte mit Hilfe seiner Idee Ergebnisse erreicht hat, welche 
auch in der Jetztzeit außer dem rein historischen sogar noch berechtigtes sachliches Interesse in 
bezug auf die Kaltluftströmungen erwecken; so muten die Betrachtungen Doves über die Mai 
kälte (1857) durchaus modern an. Etwa gleichzeitig mit Dove verkündete cler englische Mete 
orologe Fitz Roy (1863) ganz ähnliche Gedanken über die Polar- und Äquatorialströmungen; 
er muß daher in diesem Zusammenhang ebenfalls genannt werden. Auf die Bedeutung Doves 
für andere Zweige cler Klimatologie und Meteorologie kann hier naturgemäß nicht eingegangen 
werden. 
Chromow (1935) und Dieckmann (1951 [a]) haben die Arbeiten des oben erwähnten englischen Admirals 
und Meteorologen Fitz Roy unter modernem klimatologisdiem Gesichtspunkt gewürdigt. Fitz Roy hat in seinem 
1863 erschienenen „Weather Book“ modern anmutende dynamisch-klimatologische Gedanken verfochten; er sprach 
bereits von Luftkörpern (bodv of air), und erst in unserer Zeit wurde diese kühne Konzeption theoretisch unterbaut 
und bestätigt. Was wir bei cler Besprechung der Nordwestluftvorstöße (Kapitel C 2 a) mehrfach bestätigt finden wer 
den, hat bereits Fitz Roy in großen Zügen richtig geschaut, wenn er, in Übersetzung nach Chromow (1955, aus 
dem Russ. von O. Moese und E. Biel), folgendes sagt: „Wenn ein Luftkörper sich von dem oder nach dem Pole 
bewegt, wird seine Antriebskraft (vis a tergo) oder seine Anziehungskraft (attraction) in Richtung auf ein Gebiet 
verminderter Spannung aufhören, während die Masse selbst noch einen gewissen Schwung (impetus) oder ein 
Bewegungsmoment besitzt . . . Demzufolge wird ein Luftkörper, der sidi etwa einige hundert Meilen weiter er 
streckt, isoliert werden. Abgeschnürt von seinem Ursprungsgebiet und ohne Zustrom von ihm, ist er nun — ob 
Polar- oder Tropikstrom — ganz von Luft anderer Art umgeben, er wird in anderen, wechselnden Richtungen ge 
trieben, behält wohl noch eine Zeitlang seine charakteristischen Eigenschaften bei, doch schließlich wird er sich ganz 
verändert haben und vollkommen in dem die Oberhand erlangenden Luftkörper aufgehen.“ 
In der Zeit nach Dove entwickelte sieb die Klimatologie zunächst in anderer Richtung, als 
die oben zitierten Gedanken andeuteten 5 ). Das Beobachtungsnetz wurde immer dichter und die 
-) Lediglidi in W. B 1 a s i u s (1875) fand Dove einen kühnen, weitdenkenden intuitiven Verfechter seiner Ideen, 
dessen hei dem damaligen Fehlen jeglicher Aerologie erstaunlich richtige dynamisch-meteorologische Schlußfolgerungen 
von seinen Zeitgenossen (außer Margules 1905) abgelehnt wurden. Mit Dove war er der bedeutendste Vorläufer 
Bjerknes’ (v. Ficker 1927, 1928).
	        
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